Mit Photovoltaik, Wasserkraft oder Stromimporten aus der EU könne die Stromlücke nicht geschlossen werden, sagte die Bündner Nationalrätin Martullo-Blocher dem «Blick». Die Schweiz könne es sich nicht erlauben, die AKW abzustellen und damit ein Drittel der Stromproduktion zu verlieren. Bundesrätin Simonetta Sommaruga müsse mit den AKW-Betreibern die sichere und effiziente Verlängerung der Laufzeit von bestehenden Kernkraftwerken ausarbeiten.
Eine Verlängerung um zehn Jahre wäre laut Experten möglich, so Martullo-Blocher. Bei einer Konzession gehe man von einer Laufzeit von 50 Jahren aus. Das letzte AKW würde 2035 vom Netz gehen. Das wäre in der Stromherstellung kurzfristig. Die Verlängerung der Laufzeiten werde etwas kosten. Im Vergleich zu den Stromausfällen, die sonst die ganze Schweiz lahmlegen würden, sei das aber wenig.
Gaskraftwerk als Rückfallposition
Als Rückfallposition müsse die Bundesrätin wohl oder übel ein Gaskraftwerk vorbereiten. Langfristig kämen neue Technologien wie die Geothermie, Wasserstoff aber auch die Kernkraft wieder in Betracht. Die Schweiz sei schon heute schon heute beim Industriestrom das drittteuerste Land in Europa.
Die Grünen halten die Forderung für ein neues AKW «absurd». Die Schweiz müsse jetzt vorangehen und die Anstrengungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien verstärken, schrieb der Grüne Thurgauer Nationalrat Kurt Egger in einer Stellungnahme. Dafür habe sich auch die Stimmbevölkerung mit ihrem Ja zur Energiestrategie 2050 ausgesprochen, hielt Egger als Mitglied der parlamentarischen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie fest.
Ein neues AKW trägt laut Egger nicht zu einer schnellen Energiewende bei. Bis es Strom produzieren könne, würden Jahrzehnte vergehen. Auch bringe ein AKW ein grosses Sicherheitsrisiko mit sich, und das Abfallproblem sei und bleibe nach wie vor ungelöst.
In der Schweiz werden derzeit vier AKW betrieben - Beznau I und II, Leibstadt und Gösgen. Ende 2019 ging das Atomkraftwerk in Mühleberg BE vom Netz. Wann genau die anderen Atommeiler im Rahmen des Ausstiegs aus der Atomenergie abgeschaltet werden, ist offen. Der Bund lancierte Gespräche mit den Betreibern über deren Pläne für eine mögliche längere Laufzeit.