In Frankreich hat das Parlament bereits Ende Januar für ein Verbot von solchen Therapien gestimmt. In Zukunft sollen Personen, die Konversionstherapien durchführen, mit einer zweijährigen Haftstrafe und einer Geldstrafe von 30'000 Euro bestraft werden können.
La loi interdisant les thérapies de conversion est adoptée à l'unanimité !
— Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) January 25, 2022
Soyons-en fiers, ces pratiques indignes n'ont pas leur place en République. Parce qu’être soi n’est pas un crime, parce qu’il n’y a rien à guérir.
Auch in Deutschland und Österreich gibt es zum Teil bereits Verbote, die vor allem zum Schutz von Minderjährigen ausgelegt sind.
So ist die Lage in der Schweiz
In der Schweiz dürfte es noch eine Weile dauern, bis ein konkretes Verbot in Kraft tritt. Zwar haben sowohl Angelo Barrile als auch Sarah Wyss, die beide für die SP im Nationalrat sitzen, letzten Herbst eine parlamentarische Initiative zu diesem Thema eingereicht. Doch die Behandlung und Umsetzung einer solchen dauert im Nationalrat eine Weile. Barrile erklärt: «Eine parlamentarische Initiative wird jeweils in der zuständigen Kommission behandelt. Dafür hat diese zwei Jahre Zeit. Ich bin jetzt am Warten, bis meine parlamentarische Initiative auf die Traktandenliste kommt und rechne damit, dass sie im Laufe dieses Jahres behandelt werden wird.» Das Thema ist aktueller denn je: Wegen der Verbote in Deutschland und Österreich haben laut Angelo Barrile viele Vereine, die zwar behaupten, keine Konversionstherapien durchzuführen, es aber trotzdem tun, ihren Sitz in die Schweiz verlagert. Dies sei beunruhigend, denn diese könnten hier grossen Schaden anrichten, so Barrile.
Angelo Barrile liegt das Verbot von Konversionsmassnahmen sehr am Herzen. Er ist nicht nur Nationalrat, sondern selber Teil der queeren Community und Vorstandsmitglied bei Pink Cross: «Es macht mich traurig und wütend, dass nachweislich so etwas auch in der Schweiz passiert. Ich kenne selber Menschen, die das erlebt haben und ich weiss aus meiner Jugend, wie empfänglich ich dafür war, dass ‹etwas was mit mir nicht stimmt, weggemacht werden kann›. Ich war damals schon gläubig und hatte ein schlechtes Gewissen.»
Für Barrile ist klar, weshalb die Schweiz noch kein Verbot umgesetzt hat: «Ich gehe davon aus, dass man in der Schweiz das Ausmass und die Schäden solcher Konversionsmassnahmen noch nicht realisiert hat. Man hat nicht realisiert, dass das in der Schweiz überhaupt passiert.» Wie aktuelle Recherchen von SRF zeigen, passiert dies aber sehr wohl. In der Schweiz gibt es beispielsweise Seelsorgende aus freikirchlichen Kreisen wie der Heilsarmee, die Konversionsmassnahmen anwenden. Pink Cross, die Dachorganisation der schwulen und bisexuellen Männer, hat diesbezüglich vor Kurzem eine Petition lanciert. Diese fordert den Bundesrat auf, eine Untersuchung einzuleiten, sicherzustellen, dass die Heilsarmee keine Konversionsmassnahmen mehr durchführt und dass solche in der Schweiz verboten werden. Die Petition haben bereits über 12'000 Menschen unterzeichnet.
Unterstützung aus allen Fraktionen
In der Schweiz sind Konversionstherapien – oder eben Konversionsmassnahmen – heute nur für anerkannte Ärztinnen oder Therapeuten durch die entsprechenden Berufsverbände verboten. Oftmals sind es aber nicht Fachpersonen, die solche «Therapien» anbieten, sondern Lifecoaches, Seelsorgende oder selbst ernannte Psychologen oder Psychologinnen, die keine fachliche Anerkennung haben.
Mit dem Verbot will Barrile genau solchen das Handwerk legen. Künftig soll es in der Schweiz untersagt sein, Konversionsmassnahmen bei Kindern und Jugendlichen unter 25 Jahren durchzuführen. Dass sich das Verbot auf diese Altersgruppe konzentriert, hat zwei Gründe: «Kinder und Jugendliche in diesem Alter sind noch in der Entwicklung und solche Massnahmen können grosse Schäden anrichten. Ausserdem ist ein solches Verbot in der Schweiz mehrheitsfähiger als ein allgemeines», so Barrile.
Die parlamentarische Initiative, die Barrile im September letzten Jahres eingereicht hat, hat laut Barrile gute Chancen: «Ich bin optimistisch und gehe davon aus, dass meine parlamentarische Initiative eine Mehrheit findet. Es gibt aus allen Parteien und Kommissionen Leute, die meine Idee unterstützen.» Es sei wichtig ein Zeichen zu setzen und zu sagen: «In unserem Land wollen wir so etwas nicht». Mit der Debatte rund um ein mögliches Verbot hofft Barrile auch, dass die Gesellschaft für das Thema sensibilisiert wird. Das könnte auch Betroffenen helfen: «Wenn man weiss, dass es in der Gesellschaft ein Thema ist und dass man Hilfe bekommt, dann traut man sich als betroffene Person auch eher, sich zu melden.»