Bundesrat will lockern

Wie geht es mit Massnahmen-Gegnern weiter?

08.02.2022, 17:48 Uhr
· Online seit 08.02.2022, 17:43 Uhr
Mit der Abstimmung zum Covid-Gesetz und dem JA der Schweizer Stimmbevölkerung dazu wurde es ruhiger um die Massnahmen-Gegner. Doch da sind sie noch immer, sie formieren sich einfach neu.
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Weisse Gestalten, die stumm ihren Umzug ablaufen, ein violettes Fahnenmeer, meditatives Schwingen von Trycheln im regelmässigen Rhythmus: Noch im Herbst riefen Massnahmen-Gegner praktisch jedes Wochenende zu einer Demonstration auf. Seit der Abstimmung über das Covid-Gesetz Ende November ist es aber ruhiger geworden. Was ist mit den Massnahmen-Gegnern geschehen? Wir schaffen einen Überblick.

Mass-Voll

Kurz nach der Abstimmung kam es innerhalb der Bewegung zu einem Exodus der Mitglieder. Viele Mitglieder verliessen Mass-Voll per Ende 2021, weil sie sich «auf sozialerem Weg» engagieren wollen. Unter ihnen auch die damalige Co-Präsidentin von Mass-Voll, Viola Rossi. Die ehemaligen Mass-Voll-Mitglieder wollten ihren eigenen Verein gründen, «Taraxxa». Ausser auf dem Berufsnetzwerk LinkedIn hat der Verein allerdings noch nicht von sich reden gemacht.

Droht Mass-Voll also langsam der Zerfall? Nein, sagt Nicolas Rimoldi, Präsident von Mass-Voll: «Mass-Voll selbst verzeichnet nach wie vor ein Mitgliederwachstum.» Grund für dieses Wachstum ist unter anderem auch die Expansion der Bewegung. Denn: Kürzlich demonstrierten die Mitglieder im österreichischen Wien und Salzburg. Und dabei sind sie nicht die einzigen: Auch die Freiheitstrychler waren im Ausland unterwegs, Ende Januar zum Beispiel in Brüssel. «Beim Mitgliederwachstum von Mass-Voll handelt es sich grösstenteils um Mitglieder aus der Schweiz, jedoch erhalten wir auch viele Anfragen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum», so Rimoldi weiter.

Aber auch in der Schweiz poltert die Bewegung um Rimoldi weiter. Allerdings haben sich die Prioritäten etwas verschoben. Die Corona-Politik des Bundes ist der Bewegung trotz geplanter Lockerungen zwar noch immer ein Dorn im Auge: «Das Ende sämtlicher Zwangsmassnahmen wird durch den Entscheid vom Bundesrat vom 2. Februar erneut verzögert. Wir haben keinerlei Vertrauen, dass die Verfassungsfeinde bald aufhören, Grundrechte zu rauben, unsere Institutionen zu beschädigen und Menschen enorm zu schaden», sagt Rimoldi. Mass-Voll weibelt aber nun auch gegen die Initiative zum Medienpaket, über das am 13. Februar abgestimmt wird. Man habe an der ausserordentlichen Generalversammlung Anfang Januar entschieden, sich thematisch zu öffnen, so Rimoldi auf Anfrage von PilatusToday und Tele1.

Auslandeinsätze, thematische Verschiebung: Wird Mass-Voll so nicht zur «Wischi-Waschi-Bewegung»? Rimoldi winkt ab: «Mass-Voll wird sich strikt für unsere Grundrechte einsetzen, getreu unseren zehn Forderungen auf der Website. Diese sind noch nicht erfüllt.»

Stiller Protest

Bekannt waren sie vor allem für die weissen Anzüge und Masken, die sie während des stillen Protestmarsches trugen: Der Verein Stiller Protest. Um diesen ist es tatsächlich sehr still geworden. Die letzten Online-Einträge stammen vom letzten Sommer. Insgesamt hatte der Verein laut dessen Website vier Demonstrations-Märsche organisiert.

Bündnis der Urkantone

Aus Unmut über die Corona-Massnahmen hatte sich auch das «Bündnis der Urkantone» geformt. Das Aktionsbündnis ist auch weiterhin aktiv: «Ich glaube nicht, dass die Zertifikatspflicht noch dieses Jahr aufgehoben wird», sagte Josef Ender, Sprecher und Gesicht der Bewegung, Ende Januar gegenüber 20min. Ender ist ein Schwyzer IT-Unternehmer und das Gesicht der Bewegung. Neuerdings sitzt Josef Ender auch im Vorstand vom neu formierten Verein «Aufrecht Schweiz». Dieser Verein hat die Absicht, Kandidaten und Kandidatinnen aus diesem Umkreis zur Wahl zu stellen. Auch Ender will sich zur Wahl stellen. Doch dazu später mehr.

Quelle: CH Media Video Unit / Tele 1

Freunde der Verfassung

Während Mass-Voll und die Freiheitstrychler ihr Tun aufs Ausland ausgeweitet haben, sind die Freunde der Verfassung aktuell vor allem mit sich selbst beschäftigt. Anfang Januar trat der gesamte Vorstand geschlossen zurück, weil das «gegenseitige Vertrauen so weit gelitten hat, dass die Arbeit des Vorstands blockiert ist», wie es auf der Website des Vereins heisst. Die internen Machtkämpfe um die Neubesetzung des Vorstands halten bis heute an. Von einem «kleinen Putsch-Grüppli», dass die Neuwahlen zu sabotieren versucht, ist die Rede. «Die Schweiz hat viele Probleme. Packen wir sie an und beschäftigen wir uns nicht länger mit uns selbst!», heisst es auf der Website.

Aufrecht Schweiz

Einige Mitglieder der oben genannten Bewegungen haben sich zu einem neuen Verein zusammengeschlossen: Aufrecht Schweiz. «‹Aufrecht Schweiz› ist ein eigenständiger Verein, der von den deklarierten Bürgerrechtsbewegungen vor allem ideell getragen wird und sich zum Ziel setzt, Kandidaten aus diesem Umkreis zur Wahl zu stellen», heisst es auf der Website.

Der gemeinsame Nenner der Bürgerrechtsbewegungen ist also die Corona-Politik des Bundesrates. Und die Zeichen des Bundesrates stehen aktuell klar auf Lockerung. «Das Vertrauen in unser Politsystem hat nachhaltigen Schaden erlitten, da sind wir eine Kraft, die von Anfang an einen Bonus hat», sagt Josef Ender, Aktuar bei Aufrecht Schweiz.

Eine Kraft, die ein grosses Spektrum an Meinungen abbildet: Eine Umfrage von Schweiz Aktuell am Beispiel der Wahlen fürs Berner Kantonsparlament zeigt, dass die Meinungen ausserhalb von Corona-Themen auseinander gehen. Das sei kein Problem, sagt Josef Ender. Es gebe Bereiche, wo bei Aufrecht Konsens herrsche und Bereiche, bei denen Kandidaten frei seien. «Unsere Wählerschaft informiert sich selbst aktiv und weiss, wie unsere Kandidaten ticken. Die Menschen haben die Nase voll vom Parteigezänke. Bei uns können sich Menschen mit verschiedenen Überzeugungen an einen Tisch setzen und finden einen Konsens.»

Kleine Erfolge konnte Aufrecht Schweiz bereits verbuchen: Im Kanton Nidwalden finden sich drei Personen, die sich bei den kommenden Landratswahlen für Aufrecht Schweiz aufstellen lassen. Im Kanton Bern sind es gut 70 Kandidaten. «Wir sind bei 0. Das heisst, wir können nur gewinnen und freuen uns über kleine und grosse Fortschritte», sagt Josef Ender.

Auch er will sich im Namen von Aufrecht Schweiz in der Politik stark machen. Auf der Website der Bewegung steht «Leitung Kanton». Für welches Amt Ender allerdings kandidieren möchte und wann das sein wird, das könne er noch nicht sagen.

veröffentlicht: 8. Februar 2022 17:43
aktualisiert: 8. Februar 2022 17:48
Quelle: PilatusToday

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