Ukraine-Krise

Wie geht man mit traumatisierten Flüchtenden aus der Ukraine um?

08.03.2022, 09:35 Uhr
· Online seit 08.03.2022, 08:54 Uhr
Momentan wollen viele Schweizerinnen und Schweizer Flüchtende aus der Ukraine bei sich aufnehmen, auch aus dem Aargau wollen viele helfen. Bevor man jedoch Betroffene zu sich nach Hause holt, sollte man sich gut vorbereiten. Expertinnen und Experten geben Auskunft.

Quelle: TeleM1

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Auf Social Media sieht man momentan viele Posts, die dazu aufrufen, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bei sich zu Hause aufzunehmen. Gemäss dem Staatssekretariat für Migration wurden bereits 874 Ukrainerinnen und Ukrainer in den Bundesasylzentren registriert, wie es am Montag in einer Medienkonferenz hiess. Doch auch Private wollen helfen. Viele Schweizerinnen und Schweizer sind sich aber nicht bewusst, was es bedeutet, eine möglicherweise traumatisierte Person zu betreuen.

Was muss man vor der Aufnahme eines Flüchtlings wissen?

Entscheidend sei, dass man sich über die eigene Motivation und seine Grenzen im Klaren ist, so Ursula Luder, Kommunikationsleiterin des Departement Gesundheit und Integration beim Schweizerischen Roten Kreuz. So könne man sicherstellen, dass man die geflüchtete Person bestmöglich unterstützen kann. Des Weiteren sollte man sich über den zeitlichen Aufwand bewusst sein. «Die Aufnahme eines Flüchtlings ist ein längerfristiges Commitment», so Oliver Lüthi, Kommunikationsleiter der Schweizer Flüchtlingshilfe. Man sollte der geflüchteten Person für mindestens drei Monate ein Zimmer mit Badezimmer und Dusche bieten können. «In einer ersten Phase ist es zudem wichtig, gewisse Eigenmittel zu haben», betont Lüthi.

Laut dem Schweizerischen Staatssekretariat für Migration (SEM) ist eine private Unterbringung freiwillig und werde daher nicht vergütet. «Der Bundesrat hat aber in seinem Vorschlag zur Einführung des Schutzstatus S darauf hingewiesen, dass die Kantone vom Bund mit einer Pauschale unterstützt werden sollen», erklärt Lüthi. Von dieser Pauschale könnten auch Privatpersonen profitieren.

Was muss man im Umgang mit der geflüchteten Person beachten?

Bei den Flüchtenden aus der Ukraine handelt es sich möglicherweise um traumatisierte Personen. Jede Person ist anders und Traumata können von unterschiedlichen Triggern ausgelöst werden. «Sowohl Lärm, bestimmte Gesprächsthemen oder Visuelles können das Trauma einer Person triggern», erklärt Luder. Durch die medizinische Betreuung in den Migrationszentren können sich die Betroffenen über ihre Trigger bewusst werden und an der Traumaüberwindung arbeiten. «Als Gastfamilie muss man der Person sehr viel Verständnis entgegenbringen und ihr die Möglichkeit auf Privatsphäre geben», betont Lüthi.

Im Alltag und beim Umgang mit Behörden solle man die Flüchtlinge bestmöglich entlasten. Laut dem Schweizerischen Roten Kreuz sei zudem entscheidend, dass man der traumatisierten Person Sicherheit vermittle. Dies, weil traumatisierte Menschen in ständiger Alarmbereitschaft leben und sich als Flüchtling zusätzlich vor einer Wegweisung des Gastlandes fürchten. «Am besten bietet man Betroffenen eine klare Tagesstruktur», so Luder. Ein Sprachkurs, eine Mitgliedschaft in einem Verein oder ein Praktikum helfen der Person bei der Stabilisierung. Beim Kochen, Malen oder Musizieren werden sich die Geflüchteten wieder über ihre eigenen Stärken bewusst, was sie widerstandsfähiger mache.

Was kann man tun, wenn man selbst überfordert ist?

Der Umgang mit traumatisierten Personen ist nicht einfach und kann sehr belastend sein. Laut dem Schweizerischen Roten Kreuz ist es wichtig, dass man erkennt, wenn die eigene Grenze überschritten ist und lernt Nein zu sagen. Viele Personen in der Flüchtlingshilfe neigten dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zu ignorieren, was längerfristig aber krank mache. Wenn die Geflüchteten ihre schlimmen Erlebnisse mit ihren Helferinnen und Helfern teilen, sei das ein Zeichen von Vertrauen, könne aber dazu führen, dass sich das Trauma auf diese übertrage. In diesem Fall sollte man sich professionelle Hilfe holen oder sich eine Auszeit nehmen. So könne man sicherstellen, dass man nicht ausbrennt.

Wo kann man sich für die Aufnahme von Geflüchteten melden?

Wer sich dazu entscheidet, Flüchtende aus der Ukraine aufzunehmen, kann sich auf der Website der Schweizerischen Flüchtlingshilfe anmelden. Das Schweizerische Rote Kreuz arbeitet mit Hochdruck daran, eine Lösung für die Geflüchteten aus der Ukraine zu finden. Updates werden auf der Homepage publiziert.

Was man beachten muss, wenn man Flüchtende an der Grenze zur Ukraine abholen möchte, siehst du im Beitrag von Tele M1 oben.

veröffentlicht: 8. März 2022 08:54
aktualisiert: 8. März 2022 09:35
Quelle: ArgoviaToday

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