Schweiz – Serbien

«Doppeladler-Geste war eine Schande» – ist es doch mehr als nur ein Spiel?

01.12.2022, 10:43 Uhr
· Online seit 01.12.2022, 05:46 Uhr
Das Spiel der Nati gegen Serbien ist in vielerlei Hinsicht speziell. Aus Schweizer Sicht ist man versucht, das Politische auszublenden und sich auf den Fussball zu konzentrieren – da giesst ein ehemaliger Spieler Serbiens prompt Öl ins Feuer.

Quelle: TeleZüri / Beitrag vom 29. November 2022

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Das bisher Gebotene der Serben ...

Erstmal zum Sportlichen: Serbien hat im letzten Spiel gegen Kamerun einerseits Moral bewiesen und gezeigt, wie viel Kampfgeist in seinem Team steckt. 1:0 lagen sie gegen die Westafrikaner hinten, ehe sie in der Nachspielzeit der ersten Hälfte mit einem Doppelschlag innert zwei Minuten das Spiel drehten. Nach der Pause erhöhte das Team von Trainer Dragan Stojković gar auf 1:3.

Andererseits liessen die Serben danach wieder nach – Kamerun gelang innert drei Minuten zwei Anschlusstreffer, am Schluss trennten sich die beiden Mannschaften 3:3. So lässt sich unter dem Strich sagen: Nach vorne geht bei den Serben einiges, hinten sind sie aber auch anfällig.

... und der Schweizer

Bei der Schweizer Nati verhält es sich eher andersrum: Vor allem in Spiel Nummer 2 gegen Brasilien hat sie bewiesen, dass die Defensive stabil ist. Manuel Akanji verdiente sich gar das Prädikat Weltklasse – der Gegentreffer durch Casemiro tut dem nichts zur Sache. Ein ums andere Mal kauften der Abwehrchef und seine Kumpanen Elvedi, Widmer und Rodriguez den südamerikanischen Ballkünstlern um Vinicius Jr. und Richarlison den Schneid ab.

Offensiv muss da schon einiges mehr kommen: Traf Embolo noch im Kamerun-Spiel, war er gegen die brasilianische Abwehr auf verlorenem Posten. Allgemein ging nach vorne zu wenig, Shaqiris Absenz machte sich im Schweizer Team bemerkbar. Gegen Serbien wird dieses bestimmt wieder zu mehr Chancen kommen, die es dann zu nützen gilt.

Die Ausgangslage

Im «Normalfall» reicht der Schweizer Nati am Freitag gegen Serbien ein Unentschieden. Denn es ist doch recht unwahrscheinlich, dass Kamerun im zweiten Spiel der Gruppe G (welches gleichzeitig angepfiffen wird) den Titelfavoriten aus Brasilien schlägt. Selbst bei einem Unentschieden könnten sich die Afrikaner nicht mehr für die Achtelfinals qualifizieren.

Heisst: Mit insgesamt vier Punkten (1:0-Sieg gegen Kamerun und einem Unentschieden gegen Serbien) wäre die Schweiz weiter – die Serben, die Stand jetzt bloss einen Punkt auf dem Konto haben, müssten gewinnen, um Murat Yakins Team nach Hause zu schicken. Wie die Schweiz weiterkommt, erfährst du hier.

Die Nebengeräusche ...

Wer das WM-Spiel der beiden Nationen im Juni 2018 verfolgt hat, weiss genau, warum Schweiz gegen Serbien ein so spezielles Spiel ist – Stichwort Doppeladler-Affäre. An einer sowieso schon politisch geladenen Weltmeisterschaft gehört dieses Duell, zusammen mit dem Duell Iran – USA, sicherlich zu denjenigen, die politisch für grosse Brisanz sorgen.

Mit Captain Xhaka und Shaqiri sind auch vier Jahre später zwei der Protagonisten von damals wieder dabei. Sie beide hatten damals getroffen, sie beide hatten ihre Tore mit dem Doppeladler bejubelt. Natürlich stellt sich die Frage: Werden sie es am Freitag wieder tun, wenn sie treffen?

... und ein serbischer Seitenhieb

Höchst wahrscheinlich nicht – der Schweizer Fussballverband (SFV) hat seinen Spielern im September praktisch ein Verbot von «provozierenden Gesten» erteilt. Und Granit Xhakas Bruder Taulant beschwichtigt in einem Interview mit dem «Blick»: «Ich habe ihm gesagt, er soll einfach ruhig bleiben und sein Spiel machen. Schlussendlich geht es nicht um Politik. Es ist ein Fussballspiel.»

Einer, der das Duell schon eher aufheizt und provoziert, ist der Ex-FC-Basel-Spieler Zdravko Kuzmanovic. Der schweiz-serbische Doppelbürger sagte am Mittwochmorgen gegenüber «20 Minuten»: «Die Doppeladler-Gesten vor vier Jahren waren eine Schande, einfach himmeltraurig.» Und dann: «Wäre ich an dieser WM noch Spieler für Serbien, würde ich Xhaka oder Shaqiri umhauen.»

Wenn einer der serbischen Spieler ähnlich denkt, dann steht einem hitzigen Kampf auf dem Spielfeld nichts mehr im Wege – was unterstreichen würde, dass es eben doch nicht nur um den Fussball geht, auch wenn Kuzmanovic sagt: «Sport und Politik muss man trennen.» Die Schweizer Spieler (mit kosovarischen Wurzeln) hätten das 2018 nicht gemacht – tut Kuzmanovic nun aber auch nicht.

Die Schweiz könnte auf Portugal treffen

Stichwort Shaqiri: Ob der «Alpen-Messi», der beim Brasilien-Duell bereits fehlte, gegen Serbien sein Comeback gibt, steht derzeit noch in den Sternen, dasselbe gilt für Noah Okafor. Die beiden haben am Dienstag immerhin schon wieder trainiert.

Und auch den Nati-Gegner plagen Verletzungssorgen: Gleich fünf Spieler sind verletzt oder konnten nach dem Kamerun-Spiel nur bedingt trainieren. Hinter Superstar Dusan Vlahovic von Juventus steht ein dickes Fragezeichen – gegen Kamerun stand er keine Sekunde auf dem Rasen.

Handgesten und Fussbeschwerden hin oder her: Letzten Endes geht es um die Qualifikation für die Achtelfinals. Die Vorzeichen für die Schweiz stehen gut. Bleibt zu hoffen, dass das Gruppenspiel am Freitagabend nicht zu mehr verkommt, als es ist. Als Gruppenzweiter würde die Schweiz wahrscheinlich auf Portugal treffen, den voraussichtlichen Gewinner der Gruppe H.

veröffentlicht: 1. Dezember 2022 05:46
aktualisiert: 1. Dezember 2022 10:43
Quelle: Today-Zentralredaktion

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