0:1 gegen England, 1:1 gegen Tschechien: Kroatien tat sich in den ersten Gruppenspielen dieser EM schwer. Will die Mannschaft von Trainer Zlatko Dalic nicht frühzeitig ausscheiden, muss sie das letzte Spiel gegen Schottland am Dienstag gewinnen. Ein Selbstläufer ist in der aktuellen Verfassung auch das nicht.
Trotz erst eines Punktes ist der Vorstoss in die K.o.-Phase machbar. Aber angesichts der jüngsten Leistungen würde ein Scheitern in der Gruppenphase weniger überraschen als ein Weiterkommen über die Achtelfinals hinaus. «Wir müssen aggressiver, schneller werden, mehr laufen. Wir müssen das dritte Spiel viel besser angehen», stellte Dalic zuletzt fest.
Qualität und Mentalität
Das umzusetzen, dürfte für die Kroaten kein Leichtes sein. Der Qualitäts- und Mentalitätsverlust durch die Rücktritte von Mario Mandzukic und Ivan Rakitic macht sich schon länger bemerkbar. Seit der erfolgreichen WM fand die Mannschaft unter anderem gegen Tunesien, Ungarn, Slowenien, Aserbaidschan, Schweden und Wales nicht zum Sieg. Zuletzt missriet im März der Start in die WM-Qualifikation mit einem 0:1 gegen Slowenien. In der EM-Vorbereitung gab es nebst einer Niederlage gegen Belgien ein 1:1 gegen Armenien.
Eine Wende zum Guten blieb an der EM bislang aus. Gegen England und Tschechien wirkten die «Vatreni», die «Feurigen», wie ein zahnloser, altersschwacher Tiger. Luka Modric, der Weltfussballer von 2018, konnte dem Team mit seinen 35 Jahren auch nicht weiterhelfen. Nicht nur die Fans vermissten Mut und Spritzigkeit.
Viel Kredit geniesst das kroatische Ensemble in der Heimat drei Jahre nach dem Finaleinzug an der WM in Russland nicht mehr. Dass das Land bloss vier Millionen Einwohner hat, geht gerne vergessen. «Das Spiel der kroatischen Nationalmannschaft unterschied sich in keiner Weise von den blassen Leistungen, an die wir seit einiger Zeit gewöhnt sind», schrieb die Zeitung «Vecernji» nach dem Tschechen-Match - und kritisierte auch Modric. «Diesmal zeigte sogar er Unsicherheit. Er wirkte ziemlich müde.» Es habe ein Anführer gefehlt. Die Zeitung «Jutarnji List» hielt fest: «Kroatien sah wieder nicht gut aus.»
Dalic schaltet in den Kampfmodus
Einstecken muss auch der Trainer, dessen Taktik Fragen aufwarf. Vier hochkarätige Offensivkräfte hatte er gegen die Tschechen aufs Feld geschickt, und doch fehlten Ideen und Durchschlagskraft. Zu breit und zu tief habe seine Mannschaft gestanden, dem Gegner zu viele Räume gegeben, haderte Dalic selbst.
Vorzeitig geschlagen geben sich die Kroaten nicht. Im Gegenteil, die Kritik scheint die Mannschaft anzustacheln. «Alle haben uns abgeschrieben und ad acta gelegt, doch gerade das muss uns motivieren. Mein ganzes Leben und meine ganze Karriere waren bisher ein einziger Kampf, aber ich bin nie davongelaufen», sagte Dalic. Was es braucht oder eben nicht braucht, sagte Captain Modric: «Wir können es uns nicht leisten, noch einmal so zu spielen wie gegen die Tschechen.»