Am Tag nach dem 0:3-Debakel gegen Italien gingen Trainer Vladimir Petkovic und die Wortführer aus dem Team auf Tauchstation. Gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nahm aber Nationalteamdirektor Pierluigi Tami Stellung zur sportlich und atmosphärisch schwierigen Situation, in welche sich das Team vor dem Abschluss der Vorrunde manövriert hat.
Herr Tami, wie sehen Sie die Leistung mit dem Abstand von fast 24 Stunden?
Pierluigi Tami: Wir sind noch immer sehr enttäuscht. Eine Niederlage gegen die Italiener kann passieren, weil sie sehr viel Qualität haben. Aber die Differenz zwischen uns und Italien war so gross, weil wir unverzichtbare Tugenden nicht auf den Platz gebracht haben. Tugenden, welche eine starke Mannschaft ausmachen.
Können Sie dies etwas konkreter ausführen?
Es geht um Werte wie Solidarität, Identifikation, Freude und Respekt. Die Überlegenheit der Italiener hat uns in Schwierigkeiten gebracht, und in diesen Momenten haben wir Solidarität vermissen lassen. Ich darf als Spieler nicht schauen, welche Fehler mein Kollege begeht und ihm dann Vorwürfe machen. In einem solchen Moment muss ich noch mehr rennen, um dem Mitspieler zu helfen. Es gab Phasen gegen Italien, da waren wir nicht die Einheit, die wir sonst in den meisten Fällen sind.
Die Spieler haben sogar öffentlich Kritik geübt.
Mein Rat an die Spieler: Schaut nicht, was die anderen falsch machen, sondern schaut zuerst auf die eigene Leistung. Sonst gibt es auf dem Platz nur Probleme.
Das Gute ist: Es gibt nochmals eine Chance.
Wir können heute von den schlechten Dingen gegen Italien reden. Aber dann verlieren wir nur Energie. Jetzt muss der Fokus sofort auf dem Spiel gegen die Türkei sein. Schon am Sonntag haben wir diese nächste Chance, die es uns erlaubt, das letzte Spiel vergessen zu machen. Dieses Spiel gegen die Türkei bietet uns eine Lösung an, unser Ziel doch noch zu erreichen.
Vladimir Petkovic hat nach der Partie gesagt: Wenn es ein solches Resultat gibt, dann hat jeder Fehler gemacht. Welche Fehler haben Sie begangen?
In einer solchen Situation muss alles in Frage gestellt werden. Es dürfen nicht nur die Spieler und der Trainer in der Verantwortung stehen. Meine Rolle ist es, dem Team und dem Staff gute Arbeitsbedingungen zu verschaffen. Ich muss dafür sorgen, dass sich jeder mitgenommen fühlt bei diesem Projekt. Also habe ich in diesem Bereich auch Fehler gemacht.
Gab es auch Fehler in der Teamführung? Der Besuch des Coiffeurs hat für viel Wirbel gesorgt?
Ich kann versichern, dass diese Dinge keinen Einfluss auf die Leistung haben. Die Italiener haben auch den Coiffeur kommen lassen und haben dann ein grosses Spiel gezeigt. Bei anderen Teams gehört ein Coiffeur sogar zum Staff. Solche Dinge sind an sich nebensächlich, aber sie werden wichtig, wenn die Leistung nicht stimmt.
Hätte man dies besser antizipieren müssen?
Vor dem Besuch des Coiffeurs haben wir anerkannt, dass die Spieler seit bald einem Monat zusammen sind. Wir haben es erlaubt, weil wir der Meinung waren, dass dies den Teamgeist fördern könnte. Das Ganze bekam zu viel Gewicht in der Öffentlichkeit. Aber eines möchte ich noch klarstellen...
Bitte.
Wir haben die Schutzmassnahmen immer eingehalten. Seit März gab es für unsere Delegation 900 Corona-Tests. Alle waren negativ. Wir haben also nicht alles falsch gemacht.
Vladimir Petkovic hat vor der EM betont, dass man darauf achte, keine Nebenschauplätze zu eröffnen. Man habe aus den Fehlern von Russland gelernt. Wird er nicht erhört?
Das kann man so nicht sagen. Der Trainer hat diesbezüglich nur Empfehlungen abgegeben. Einen gewissen Freiraum wollen wir den Spielern schon geben. Klaren Regeln haben sie nicht gebrochen.