Urs Fischer versuchte am Samstag gar nicht erst ein Pokerface aufzusetzen. Es ist nicht seine Art. Also sprach der 55-jährige Zürcher nach dem 2:1-Heimsieg gegen Leipzig, der für Union die Teilnahme an der Qualifikation zur Conference League bedeutete, vom «Wettkampfglück, das wir benötigen, wenn wir gegen Leipzig spielen». Auf einen Goalie Andreas Luthe mit gefühlt acht Armen hätte Union gegen den Tabellenzweiten zählen können und Goalgetter Max Kruse, der die Berliner mit dem letzten Angriff zum 2:1 und damit in den Europacup führte. «Besser geht nicht», sagte Fischer.
Als der zweifache Basler Meistercoach bei den Berlinern vor drei Jahren übernahm, gehörten sie noch der 2. Bundesliga an. Während Fischer in der Schweiz erklären musste, Union sei nach dem FCB kein Rückschritt, werweisste es in Deutschland, wie ein zurückhaltender Schweizer bewerkstelligen soll, was gestandene Bundesliga-Trainer wie Jens Keller nicht geschafft hatten: den Aufstieg. Fischer und Union schafften den Sprung in die Bundesliga zwar umgehend, Experten beschieden den Neulingen allerdings nur eine kurze Zeit im Oberhaus.
Zwei Saisons später krönte das Duo eine überragende Saison mit dem 7. Platz. Union distanzierte nicht nur den ungeliebten Stadtrivalen Hertha BSC um 15 Punkte und sieben Plätze, es kassierte darüber hinaus weniger Gegentore als Meister Bayern München und weniger Niederlagen als Borussia Dortmund. Am beeindruckendsten aber ist die Tatsache, dass die Berliner gegen die Top-Sechs der Liga kein Heimspiel verloren haben.
«Es ist Weltklasse, dass wir uns so belohnen für eine herausragende Saison», sagte Max Kruse zur Europacup-Teilnahme, obschon er noch immer nichts von der Conference League wissen wollte. Die Symbolfigur für die fabelhafte Reise des Traditionsvereins vergoldete die Kampagne mit dem späten Siegtor gegen Leipzig. Dabei galt die Verpflichtung des 33-Jährigen durchaus als Risiko.
Da der imagebeladene Prinzipien-Klub aus Ost-Berlin, dort Freigeist und schlampiges Genie mit Hang zu klarer Meinungsäusserung. Doch es funktionierte. Kruse bekam von Fischer und Co. die lange Leine und lieferte. Elf Tore, fünf Assists, Kruse wurde trotz anfänglichen Fitness-Problemen und langer Verletzungspause im Winter Top-Skorer und unermüdlicher Antreiber.
Trotz Rang 7 und der Conference League wird für Fischer und Union in der neuen Saison eine längst bekannte Platte gespielt. Wieder verlassen mehrere Stammkräfte den Klub, wieder droht ein Umbau. Zudem müsste im Hinblick auf die europäischen Aufgaben das Kader aufgestockt werden. «Es sind zwei Spiele mehr, das muss das Kader nicht auf 30, 35 aufgestockt werden», sagte Fischer der «Bild» mit dem Verweis darauf, dass Union vorderhand nur die Qualifikation zur Conference League bestreiten wird. Urs Fischer und Union Berlin bleiben sich offenbar auch im Erfolg treu.