Wimbledon

Trotz Niederlage ein «überwältigender Moment»

· Online seit 06.07.2021, 19:20 Uhr
Im Viertelfinal wird Viktorija Golubics märchenhafter Lauf in Wimbledon abrupt gestoppt. Die 28-jährige Zürcherin verliert gegen die als Nummer 8 gesetzte Karolina Pliskova klar 2:6, 2:6..
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Viktorija Golubic konnte die grosse Bühne nicht zu einem weiteren Exploit nützen. Sie traf in ihrem ersten Grand-Slam-Viertelfinal überhaupt auf eine Gegnerin, die im wahrsten Sinn des Wortes eine Nummer zu gross war. Die 1,85 m grosse Pliskova schlug hervorragend auf (unter anderem 8 Asse) und setzte die Schweizerin so von Anfang an gewaltig unter Druck.

Übermässig nervös sei sie nicht gewesen, versicherte Golubic nach ihrem bisher grössten Auftritt der Karriere auf dem mit etwa 10'000 Leuten gefüllten Court Nummer 1. Das geschlossene Dach und der zuweilen heftig und lautstark darauf nieder prasselnde Regen sorgten zusätzlich für eine elektrisierende Atmosphäre.

Glücksgefühl, kein Druck

Golubic konnte diese durchaus geniessen. «Es war ein sehr überwältigender, unglaublicher Moment», schwärmte sie. Sie habe das aber nicht als Druck, sondern als «Glücksgefühl» empfunden und fand auch zu Recht, dass sie gar nicht schlecht gespielt habe. «Ich kam kaum in die Ballwechsel hinein und kriegte kaum Gratispunkte», musste sie feststellen. «Ich hätte über mich hinauswachsen müssen, aber sie war einfach zu gut.»

Sie konnte das Spielgeschehen nur gerade bis zum 2:2 im ersten Satz ausgeglichen gestalten, dann verlor Golubic sieben Games in Folge. Die beste Chance auf eine Wende hatte sie im siebten Game des zweiten Satzes, als sie zu ihren einzigen drei Breakchancen kam, doch Pliskova wehrte sie alle ab. Insgesamt schlug die Schweizerin zu wenig gut auf, um die Tschechin stärker unter Druck zu setzen. Diese erwischte allerdings auch einen perfekten Tag. «Fast perfekt», korrigierte sie. «Ich finde immer etwas. Aber mein Aufschlag war exzellent, und die Indoor-Bedingungen ohne Wind kamen mir entgegen.»

Riesenboost für die nächsten Monate

Für Golubic endet damit ein kleines Sommermärchen, und dies ohne Frust. Beim Verlassen des Platzes wurde die zierliche Zürcherin mit viel Applaus verabschiedet. Als erst sechste Schweizerin nach Manuela Maleeva-Fragnière, Martina Hingis, Patty Schnyder, Belinda Bencic und Timea Bacsinszky hatte sie einen Grand-Slam-Viertelfinal erreicht, ihre fünf Vorgängerinnen schafften später alle auch noch mindestens einmal die Halbfinals. Ob sie nun auch für sich ein neues Selbstverständnis entwickelt hat? Golubic atmete tief durch. «Ich muss jetzt erst mal alles etwas verdauen. Aber ich konnte viel Selbstvertrauen schöpfen und werde einen Riesenboost mitnehmen.»

Sie nützte die Gelegenheit aber auch für einen Blick zurück auf ihre Anfänge. Bis etwa im Alter von zwölf Jahren spielte sie Vor- und Rückhand beidhändig. Dann überredete sie der vor ein paar Jahren verstorbene Csaba Nagy, ihr Jugendcoach im TC Grindel Bassersdorf, zur Umstellung. «Damals war ich nicht begeistert und verlor zuerst nur noch, doch heute bin ich froh.» Sie verdanke Nagy, der sie 15 Jahre lang betreute, sehr viel. «Schon als ich ein kleines Mädchen war, sah er etwas Besonderes in mir.»

Der Lohn ist nun eineinhalb Jahrzehnte später einerseits der grösste Zahltag ihrer Karriere (rund 382'000 Franken), anderseits der erstmalige Vorstoss in der Weltrangliste unter die Top 50 (von Platz 66). Das Jahr begann sie noch als Nummer 138 und verpasste sogar die Qualifikation für das Australian Open.

Ob sie nun nächste Woche in Lausanne, wo sie für die Qualifikation (!) eingeschrieben ist, nochmals auf Sand zurückkehrt, liess Golubic offen. Sie freut sich riesig, dass sie für die Olympischen Spiele in Tokio selektioniert wurde. Der Turnierplan braucht nun aber ein paar Anpassungen.

veröffentlicht: 6. Juli 2021 19:20
aktualisiert: 6. Juli 2021 19:20
Quelle: sda

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