Trotz Ticket

Wieso ich die Eröffnungsfeier in der Badewanne schauen musste

· Online seit 04.02.2022, 16:19 Uhr
Der grosse Tag ist endlich da: Die Olympischen Winterspiele in Peking werden offiziell eröffnet. Eigentlich wäre bei der Eröffnungszeremonie auch ich im Nationalstadion dabei gewesen. Doch aus dem Traum wurde nichts. Wieso? Wenn ich das nur wüsste…

Quelle: PilatusToday / Daniel Schmuki

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Quelle: PilatusToday / Daniel Schmuki

Ich sitze frustriert und völlig niedergeschlagen im Hotelzimmer in Peking. Und ich muss mich wirklich zusammenreissen, dass ich keine Fluchwörter in die Tasten haue. Aber mit diesen könnte ich meinen aktuellen Gemütszustand wohl am treffendsten beschreiben. Denn nur wenige hundert Meter von meinem Hotelzimmer entfernt läuft gerade die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking. Und ich bin wider Erwarten nicht dabei.

Alles war bereit

Rückblende: Die Freude war riesig, als ich vor wenigen Tagen die Zusage für eines der begehrten Tickets für die Eröffnungsfeier erhielt. Schon bevor ich heute Morgen das Ticket im Athletendorf abholte, legte ich im Hotelzimmer meine wärmsten Kleider bereit. Denn ich wusste: Es wird kalt im Nationalstadion. Denn ein unscheinbares A4-Blatt im Media Center warnte bereits am Vortag vor möglichen Erfrierungen.

Als ich gegen Mittag ins Hotel zurückkehrte, überprüfte ich im Internet den Fahrplan, wann der Bus zurück ins Media Center fährt. Denn ich wusste: Der letzte Shuttle-Bus vom Media Center zum Nationalstadion fährt bereits um 17.10 Uhr. Ich notierte mir die 16.20-Uhr-Verbindung. Mit dieser sollte ich noch etwas Luft haben, um den letzten Bus zum Stadion erreichen zu können.

Das erste Problem

Bereits zehn Minuten vor der Abfahrt passierte ich im Hotel den Sicherheitscheck, damit ich draussen auf den Bus warten konnte. Doch dieser wollte und wollte nicht kommen. Nach etwa fünf Minuten erkundigte ich mich beim Sicherheitspersonal des Hotels, ob der Bus nicht schon längst da sein müsste. Doch dieses konnte nur Chinesisch und verstand kein Wort.

Bis die Mitarbeiter jemanden gefunden hatten, der immerhin ein paar Brocken Englisch spricht, verstrichen wieder Minuten. Ich schaute immer wieder nervös auf die Uhr. Als mir der Mann dann zu verstehen gab, dass der nächste Bus erst um 17.20 Uhr in Richtung Media Center fährt, war mir klar: Es muss eine andere Lösung her.

Plan B funktioniert (noch) nicht

Zusammen mit einem ukrainischen Journalisten, der ebenfalls auf den Bus wartete, versuchten wir ein offizielles Taxi der Olympischen Spiele aufzutreiben. Glücklicherweise standen gleich drei Stück davon direkt vor unserem Hotel. Doch die Fahrer schliefen auf den Sitzen, sodass wir wie wild an die Autoscheibe klopfen mussten.

Als sie dann endlich aufwachten, murmelten sie nur etwas auf Chinesisch und zeigten auf eine Karte hinter der Windschutzscheibe. Darauf stand «Crew», woraus wir schlossen, dass sie uns wohl nicht zum Media Center fahren dürfen. Deshalb versuchten wir, im Internet ein Taxi zu bestellen. Doch hier machte uns das träge WLAN in der Hotel-Lobby einen Strich durch die Rechnung. Also beschloss ich, ins Zimmer zurückzukehren.

Ich gebe nicht auf

Dort wollte ich nochmals alles unternehmen, um doch noch einen Weg an die Eröffnungsfeier zu finden. Ich versuchte erneut ein Taxi zu bestellen – was diesmal funktionierte. Und zu meinem Erstaunen konnte ich als Zieldestination sogar das Nationalstadion auswählen. «Puh, Glück gehabt», dachte ich mir. Noch 60 Minuten warten und dann komme ich doch noch ans Ziel.

Das Taxi traf früher ein als angekündigt und wir machten uns auf den Weg zum Stadion. Doch je näher wir diesem kamen, desto mehr Sicherheitspersonal war auf den Strassen postiert. Die Ersten liessen uns noch passieren, doch dann war plötzlich Schluss – und dies nur wenige Meter vor der Abladestelle. Das darf doch nicht wahr sein! Ich bin quasi vor dem Stadion, aber darf nicht aussteigen.

Fadenscheinige Begründung

Nachdem der Taxifahrer mit der Zentrale telefonierte und das Problem schilderte, hielt er sein Handy an die Plastikabdeckung, die den Vorderteil des Autos vom hinteren Teil abtrennt. Die Frau versuchte mir zu erklären – immerhin sprach sie sehr gut Englisch – dass das gesamte Gebiet rund ums Nationalstadion ab 17.30 Uhr ein Sperrgebiet sei und das Taxi mich deshalb nicht ausladen dürfe. Denn es war mittlerweile bereits 18 Uhr.

Die Frau von der Taxizentrale wusste scheinbar seit Langem davon, doch die Frage, wieso ich das Taxi dennoch mit dem Zielort Nationalstadion bestellen konnte, wollte sie mir partout nicht beantworten. Ich versuchte alles – das Telefonat dauerte beinahe eine halbe Stunde – doch es klappte nicht. So blieb mir nichts anderes übrig, als widerwillig mit dem Taxi zurück zum Hotel zu fahren.

Eröffnungsfeier aus der Badewanne

Doch während ich diese Zeilen schreibe, lasse ich es mir nicht nehmen, in der Badewanne zu sitzen, nebenbei die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele im TV anzuschauen und mit einem Auge aus der Badewanne aufs Nationalstadion zu schielen. Dabei denke ich erneut: «Ich bin so nah an der Eröffnungsfeier, aber trotzdem nicht dabei…»

veröffentlicht: 4. Februar 2022 16:19
aktualisiert: 4. Februar 2022 16:19
Quelle: PilatusToday

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