Wenn Frauen Männer fragen: «Bist du ein Softie, Sandro Brotz?»
«Wie vereinbaren Sie Job und Familie?», «Wollen Sie mal Kinder?» oder «Was ist Ihr Beauty-Geheimnis?»
Kommen dir solche Fragen bekannt vor? Nein? Dann bist du wahrscheinlich ein Mann. Während Männern grundsätzlich eher Fragen zu deren Qualifikationen oder über beruflichen Erfolg gestellt werden, sind Frauen in Vorstellungsgesprächen, Interviews oder bei Geschäftsanlässen häufig mit sehr persönlichen Fragen konfrontiert. Das muss sich ändern, findet Patrizia Laeri, Wirtschaftsjournalistin, Moderatorin und Mutter.
Zusammen mit Politjournalistin und Juristin Nadine Jürgensen und Designerin Simone Züger gründete die Unternehmerin diesen Sommer elleXX, eine Plattform, die Frauen in der Wirtschaft fördert und auf die geschlechterspezifischen Ungleichheiten in der Berufswelt aufmerksam macht.
Mit Männerfragen Männer fragen
Eine Rubrik auf der Plattform, die in den letzten Wochen besonders zu reden gab, sind die «Männerfragen». Männer müssen sich dabei typischen «Frauenfragen» stellen. Ziel ist es, Stereotypen aufzubrechen und die Leute auf eine humorvolle Weise für Gleichstellungsthemen zu sensibilisieren. «Vielen ist gar nicht bewusst, dass Frau durch gewisse Fragen reduziert wird und Grenzen überschritten werden», sagt Laeri im Interview mit ArgoviaToday. Aber auch für sie ist es eine völlig neue Erfahrung, die sie mit gemischten Gefühlen verbindet. «Wenn ich Sandro Brotz frage, wie er auf Pussy Pics reagiert, fühlt sich das komisch an. Mit gewissen Fragen komme ich mir fast schon übergriffig vor und frage mich, warum die Interviewpartner nicht intervenieren und Stopp sagen.»
Eine Grenzerfahrung für beide Seiten
Aber genau das ist das Ziel. Dort hinzukommen, wo es wehtut. Fragen zu stellen, die Grenzen überschreiten und die Augen öffnen. «Die Rückmeldungen fallen wirklich positiv aus. Viele Männer sprechen erstaunlich gern über ihr Äusseres. Das hätte ich nicht gedacht», so Laeri.
Auch für die befragten Männer, die sich grösstenteils gewohnt sind, in der Öffentlichkeit, im Mittelpunkt zu stehen, ist es ungewohnt, solche Fragen zu beantworten. «Das Interview hat mich zum Teil ins Straucheln gebracht», schreibt etwa André Lüthi, CEO von Globetrotter auf Twitter.
Patrizia Laeri; dein Interview hat mich zum Teil ins Straucheln gebracht. Ihr fragt Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden – wollt einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven. Gut. https://t.co/YNybaq6Gc8
— André Lüthi (@andre_luthi) October 27, 2021
Es geht also nicht darum, dass Frauen per se keine persönlichen Fragen mehr gestellt werden dürfen, sondern dass auch ein Victor Giacobbo oder ein André Lüthi in Interviews persönlicher und in ihrer Rolle als Familienmenschen und Sorgearbeit befragt werden. In erster Linie solle der Dialog gefördert werden, erklärt Laeri. «Wir müssen mehr über solche Themen sprechen, darüber, was gewisse Fragen in einem oder einer auslösen.» Und das hat «Männerfragen» zweifelsohne bereits geschafft.
Jeden Freitag erscheint auf elleXX ein neues Interview in der Rubrik «Männerfragen».