Nachgefragt

Wie nachhaltig ist mein Ledermantel?

01.11.2022, 14:49 Uhr
· Online seit 30.10.2022, 06:40 Uhr
Leder gilt als langlebiges und vor allem hochwertiges Material für Kleidung, Schuhe, Taschen und Möbel. Wie passt das zur Debatte rund um Nachhaltigkeit und Tierschutz? Nicht besonders gut. Es sei denn, man setzt auf Second-Hand oder weiss, wo das Leder herkommt.
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Die Anzahl Veganerinnen und Vegetarier nimmt von Jahr zu Jahr zu: In der Schweiz ernähren sich knapp 288'000 Personen vegan oder vegetarisch, was 4.7% der Bevölkerung entspricht; 2020 waren es noch 3.7 Prozent. Die meist genannten Gründe, auf Fleisch zu verzichten, sind das Tierwohl und die Umwelt.

Gleichzeitig liegen Klamotten aus Leder hoch im Trend; «Leder von Kopf bis Fuss» etwa titelte jüngst ein amerikanisches Modemagazin einen Artikel über die Herbstmode 2022. Ein Blick auf die Herbstkollektionen grosser Modemarken wie Hermès, Fendi oder Bottega Veneta bestätigen diesen Trend - Mäntel, Hosen, Shirts, Röcke; alles aus Leder.

Wie passt das zusammen?

«Das hat verschiedene Gründe», sagt Ruth Knipping, Textil- und Bekleidungsexpertin bei GoGreen. «Leder ist seit Jahren im Trend, weil es robust und vielseitig einsetzbar ist. Und so lange namhafte Designer und Designerinnen Lederkollektionen auf den Laufsteg bringen, wird sich das auch nicht ändern.» Zudem würden viele Leder mit Langlebigkeit und Qualität verbinden. Und: «Leder ist ein natürliches Produkt. Dass es aber für Tier und Umwelt schädlich sein kann, ist vielen nicht bewusst.»

Dabei gilt Echtleder als das umweltschädlichste Material der Bekleidungsindustrie. Die Rinderhaltung ist heute einer der grössten Verursacher für globale CO2-Emissionen. Laut dem World Resources Institute ist die Rinderhaltung für 14,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen sowie für 36 Prozent der Entwaldung zwischen 2001 und 2015 verantwortlich. Obwohl Leder oft als Nebenprodukt der Fleischindustrie bezeichnet wird, ist es ein fester Bestandteil des Geschäftsmodells, mit dem kalkuliert wird. Damit trägt Leder zumindest dazu bei, dass der Fleischkonsum profitabel bleibt.

Zudem werden durch den chemischen Prozess der Gerbung viele Giftstoffe freigesetzt, was der Umwelt und den damit arbeitenden Menschen schadet.

Kann Leder nachhaltig sein?

«Ja», sagt Knipping. «Es gibt Labels, welche ausschliesslich die Haut von Tieren verwenden, die entweder eines natürlichen Todes gestorben sind oder für den Fleischkonsum geschlachtet wurden.» Beim Kauf ist es wichtig darauf zu achten, wo das Leder herkommt. In der Schweiz und Europa gelten teilweise strengere Tierschutzgesetze als in anderen Ländern. Beim Kauf eines Lederprodukts solle man auch darauf achten, von welchem Tier das Leder stammt: So müssen weniger Tiere für die gleiche Menge Leder sterben, je grösser das Tier ist.

Auskunft über Qualität und Herkunft des Leders geben zudem Zertifizierungen, die international standardisiert sind. Aber: «Diese sind im breiten Massenmarkt noch nicht angekommen», kritisiert Knipping. Sie rät deshalb, sich beim Neukauf eines Lederprodukts direkt beim Hersteller zu erkunden.

Eine Frage des Bewusstseins

Ob und wie nachhaltig Lederprodukte sind, hängt also von verschiedenen Faktoren ab. Am Ende gehe es zu einem grossen Teil um Bewusstsein und Wertschätzung, sagt Knipping. «Problematisch finde ich, wenn Lederprodukte für den ‹fast fashion Markt› entworfen und eine Saison später nicht mehr getragen werden.» Ein Grossteil der Verantwortung liege beim Konsumenten, ergänzt sie. Wenn etwas nicht mehr gekauft wird, werde es auch nicht mehr angeboten.

Bei guter Pflege kann Leder durchaus nachhaltig im Sinne von langlebig sein. Im Vergleich zu anderen gängigen Textilmaterialien kann Leder mehrere Generation überstehen. Ein Argument, das klar für Second Hand spricht. Knipping: «Kleider, die über mehrere Jahre getragen werden, sind immer eine gute Sache. Das gilt besonders für Leder, weil es bei richtiger Pflege robuster und haltbarer sein kann als andere Materialien.»

veröffentlicht: 30. Oktober 2022 06:40
aktualisiert: 1. November 2022 14:49
Quelle: ArgoviaToday

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