In Berlin besuchte der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag das sowjetische Ehrenmal Schönholzer Heide und legte einen Kranz nieder. Der Angriff durch die Nazis am 22. Juni 1941 markierte für die Kommunisten den Beginn des Grossen Vaterländischen Krieges.
Russlands Präsident Wladimir Putin legte in Moskau Blumen am Grabmal des unbekannten Soldaten an der Kremlmauer nieder. Der Platz war weiträumig abgesperrt und nur für ausgewählte Besucher zugänglich.
In der Ukraine gedachte Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Hauptstadt Kiew der Opfer des Zweiten Weltkriegs und hielt eine Schweigeminute ab. In Belarus, das während des Krieges jeden dritten Einwohner verloren hatte, kamen Tausende Menschen noch im Morgengrauen zur Festung in Brest im Westen des Landes an der Grenze zu Polen. Zu Ehren gefallener Soldaten seien weisse Luftballons in den Himmel aufgestiegen, meldete die Staatsagentur Belta.
Russlands Präsident Putin sprach sich anlässlich des Jahrestags in einem deutschsprachigen Gastbeitrag für die Zeitung «Die Zeit» zudem für bessere Beziehungen mit Europa aus. Es gebe viele gemeinsame Interessen wie Sicherheit, strategische Stabilität, Klima- und Umweltprobleme, schrieb Putin in dem Text, den das Medium am Dienstag veröffentlichte. Gleichzeitig erhob das russische Staatsoberhaupt Vorwürfe gegen EU und Nato.
«Die Grundursache des zunehmenden gegenseitigen Misstrauens in Europa lag im Vorrücken des Militärbündnisses gen Osten», kritisierte Putin in dem Beitrag, der laut «Zeit» zuerst auf Russisch und dann auf Deutsch in der Redaktion eingetroffen war. Europa warf er vor, einen «bewaffneten verfassungswidrigen Staatsstreich» in der Ukraine unterstützt zu haben. Damals war der russlandfreundliche Präsident Viktor Janukowitsch von prowestlichen Kräften gestürzt worden.
Der Kremlchef erinnerte daran, dass mit dem Angriff der Nazis am 22. Juni 1941 für das sowjetische Volk der Grosse Vaterländische Krieg begonnen hatte - «der blutigste in der Geschichte unseres Landes». Er lobte «den Mut und die Standhaftigkeit der Helden der Roten Armee und der Arbeiter daheim», die nicht nur ihr Vaterland, sondern auch Europa und die ganze Welt vor Versklavung gerettet hätten.
Der Historiker Matthias Uhl zeigte sich unterdessen besorgt angesichts des Umgangs mit dem Zweiten Weltkrieg in Russland. «Es wird auf eine strikte Gesetzgebung zurückgegriffen, die Lesarten vorschreiben möchte», sagte der Experte am Deutschen Historischen Institut (DHI) in Moskau.
So ist es per Gesetz nun etwa verboten, die Diktaturen von Adolf Hitler und Josef Stalin zu vergleichen. Wer sich abfällig über frühere Angehörige der Roten Armee äussert, riskiert eine Strafverfolgung wegen Veteranenbeleidigung.
«Man sollte Argumentationen und Diskussionen viel mehr Raum geben», sagte Uhl der Nachrichtenagentur dpa. Es müsse erlaubt sein, Fragen zu stellen - auch mit Blick darauf, dass der Weltkrieg besonders für junge Generationen immer weiter weg sei.
Die Sowjetunion hatte mit rund 27 Millionen Toten so viele Opfer zu beklagen wie kein anderes Land im Zweiten Weltkrieg. Der Überfall durch die Nazis markierte den Beginn eines beispiellosen Vernichtungsfeldzugs - darunter die Leningrader Blockade, mit der die NS-Führung und die Wehrmacht versuchten, die Bevölkerung der Stadt in den Hungertod zu treiben.