Auf der Packung der Ricola-Bonbons, die in den USA verkauft werden, steht: «Made with Swiss Alpine Herbs» (zu deutsch: gemacht mit Schweizer Alpenkräutern). Daneben prangern besagte Pflanzen. Für eine Frau aus dem Bundesstaat Illinois ist das nun Grund genug, das Schweizer Unternehmen einzuklagen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Ihr Vorwurf: Die Alpenkräuter hätten gar keine heilende Wirkung, wie die Verpackung suggeriere – Ricola täusche seine Konsumenten.
Einzig das Menthol, das im Ricola ebenfalls enthalten ist, würde Halsschmerzen lindern, so die Klägerin. Auf diese Substanz verweise die gelb-weisse Packung aber nur auf der Rückseite, vorne nicht – im Gegensatz zu anderen, US-amerikanischen Bonbon-Herstellern. Diese würden Menthol auf der Packung hervorheben, obwohl dessen Gehalt nicht grösser als jener eines Ricolas sei.
2021 war ein Rekordjahr in Bezug auf Konsumentenklagen
Was die Klägerin aber, so scheint es, gerne ignoriert: Die Alpenkräuter werden von Ricola explizit als nicht-aktive Substanz aufgelistet. Oder ist eben genau das der Grund, weshalb sie sich derart ab den abgebildeten Kräutern auf der Vorderseite stört? Wie dem auch sei, die Klage mutet verrückt und absurd an. Erst recht, wenn man den verlangten Schadensersatz bedenkt: schlappe fünf Millionen US-Dollar.
Damit ist die Klägerin Teil eines auffälligen Trends: Klagen gegen irreführende Produktversprechen haben in den Vereinigten Staaten während der letzten Jahre stark zugenommen. Soja-Milch dürfe nicht so genannt werden, weil die Milch nicht von der Kuh kommt; Heidelbeeren in Frühstücksflocken müssten das Krebsrisiko lindern – die Liste an Beispielen wird immer länger. 2021 war in den USA mit 325 Klagen ein Rekordjahr. 2008 waren es bloss 19.
Meist sind solche Klagen, oft auch in Form von Sammelklagen (mehrere Konsumenten schliessen sich zusammen und klagen gemeinsam), nicht erfolgreich und werden abgeschmettert. Die Gerichte beschäftigten sie trotzdem: «Die Gerichte verlieren langsam die Geduld mit Fällen, die davon ausgehen, die Konsumenten seien Idioten», wird eine Anwaltskanzlei im «Tages-Anzeiger» zitiert.
Anwälte haben Interesse an aussergerichtlichen Vergleichen
Die Gerichte seien müde, Klagen von sich naiv stellenden Konsumenten zu behandeln. Sie appellieren an deren Vernunft. Dass Klagen wegen irreführenden Produktversprechen trotzdem nicht abreissen, habe damit zu tun, dass viele Anwälte damit grosses Geld machen. Die eingeklagten Hersteller eignen sich mit den Klagenden nämlich des Öfteren aussergerichtlich – und an aussergerichtlichen Deals verdienen deren Anwälte normalerweise ein Drittel der Schadenssumme.
Schweizer Firma vor Gericht: Amerikanerin will 5 Millionen, weil sie sich von Ricola getäuscht fühlt https://t.co/zg2veyzqMm pic.twitter.com/e6jmttPtWa
— Presse- & Mediennews (@Medien_News) May 23, 2022
Um ein Beispiel zu nennen: Ein Mann klagte einst Red Bull ein, weil der Energydrink nicht schnell genug wirke. Er verlangte einen Schadensersatz von 13 Millionen Dollar. Durch den Vergleich kassierte sein Anwalt 4,23 Millionen Dollar. So liegt auf der Hand, dass auch andere Anwälte genau dies erzwingen wollen und ihre Klienten im Kampf gegen Ricola, Red Bull & Co. befeuern.
(mhe)