«Prekäre Sicherheitslage»

Das passiert momentan in Afghanistan – aus Schweizer Sicht erklärt

· Online seit 04.10.2021, 07:19 Uhr
In den meisten Medien ist es ruhig geworden rund um Afghanistan. Als aussenstehender Betrachter scheint sich die Lage beruhigt zu haben. Doch dem ist nicht so. In Afghanistan passiert noch immer jeden Tag Schreckliches. Das EDA zeigt sich auf Anfrage sehr besorgt.
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Weinende Kinder, schreiende Mütter, Hunderte Tote. Die Bilder und Videos, die im August aus Afghanistan um die Welt gingen, brannten sich tief in unser Gedächtnis.

Der Strom an Informationen ist mittlerweile abgerissen, nur noch wenige Schweizer Medien berichten aktiv und regelmässig über die Lage in Afghanistan. Doch wie steht es um das Land? Wir haben das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) um eine Einschätzung aus Schweizer Sicht gebeten.

Taliban krempeln das System um

So viel vorne weg: Immer noch kommt es tagtäglich zu Schiessereien und Explosionen. In mehreren afghanischen Städten haben die Taliban zur Abschreckung getötete Männer aufgehängt, wie der Tagesspiegel schreibt. Sie kündigten ausserdem an, extreme Strafen wie die Amputation von Händen und Füssen sowie Hinrichtungen wieder einführen zu wollen.

Die Taliban weiten ihre Macht immer weiter aus. Erst anfangs dieser Woche wurde bekannt, dass Frauen - sowohl Studentinnen als auch Lehrende - bis auf Weiteres keinen Zugang mehr zur Universität in Kabul haben. Dies berichtete die New York Times. Der neue, von den Taliban ernannte Universitätsrektor Mohammed Aschraf Ghairat rief ausserdem zur Ermordung von Journalisten und Journalistinnen auf.

Noch 19 Schweizerinnen und Schweizer in Afghanistan

«Die Schweiz ist sehr besorgt über die humanitäre Situation in Afghanistan», sagt das EDA. Im Hinblick auf den herannahenden Winter und einem drohenden Wirtschaftskollaps sowie einem nur beschränkt funktionierenden Flughafen dürfte sich die Situation laut dem EDA in den kommenden Wochen und Monaten weiter verschlechtern. Die Schweiz beobachte die Situation deshalb mit Sorge und verurteile eine Erosion der Rechte von Minderheiten, von Frauen und Mädchen, so das EDA.

Aufgrund der prekären Sicherheitslage in Kabul wurde das Büro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) am 15. August 2021 vorübergehend geschlossen. Wann dieses wieder geöffnet werden könne, sei zurzeit nicht absehbar. Dem aktuellen Stand vom 29.09.2021 zufolge befänden sich noch 19 Privatpersonen mit Bezug zur Schweiz in Afghanistan, die das Land verlassen wollen. Darunter befände sich allerdings kein Bundespersonal. Das EDA setze sich momentan dafür ein, dass auch diese Personen das Land verlassen können, mit Hilfe der zuständigen Schweizer Botschaft in Islamabad (Pakistan), die in Kontakt mit den Betroffenen stehe.

So interagiert die Schweiz mit Afghanistan

Anfangs September beschloss der Bundesrat, sein humanitäres Engagement zugunsten der notleidenden Bevölkerung in Afghanistan und der Region zu verstärken. Wie das EDA schreibt, arbeite diesbezüglich die DEZA mit Organisationen zusammen, die in der Lage seien, vor Ort Programme umzusetzen. Dies seien unter anderem das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), verschiedene UN-Institutionen sowie lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

Neben dem humanitären Engagement vor Ort beobachtet das EDA auch die politischen Entwicklungen laufend und versucht, Wege zu finden, wie die Schweiz am besten zur Stabilisierung beitragen kann.

Die Hilfe vor Ort habe zwar gerade Vorrang, trotzdem wolle man aber auch in längerfristige Projekte weiterhin investieren, so das EDA: «Obschon das Erbringen von Hilfe für humanitäre Bedürfnisse zurzeit eine grosse Priorität ist, werden weiterhin dort, wo möglich und sinnvoll, auch Gelder für mittel- und langfristige Programme eingesetzt.» Gerade jetzt sei es von enormer Bedeutung, dass die Aktivitäten der internationalen Zusammenarbeit der letzten 20 Jahre eine Kontinuität finde, damit die Armut in Afghanistan bekämpft werden könne und beispielsweise die Ernährungssicherheit der Bevölkerung gestärkt werden könne.

veröffentlicht: 4. Oktober 2021 07:19
aktualisiert: 4. Oktober 2021 07:19
Quelle: ArgoviaToday

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