Staatshaushalt

Deutsche Wirtschaft wächst wieder - Staatsdefizit aber auch

· Online seit 24.08.2021, 13:01 Uhr
Kauffreudige Konsumenten und staatliche Hilfen haben der deutschen Wirtschaft nach dem Corona-Lockdown im Frühjahr zu Wachstum verholfen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg von April bis Juni um 1,6 Prozent zum Vorquartal und damit einen Tick mehr als bisher gedacht.
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Dies teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Zunächst hatte es ein Plus von 1,5 Prozent gemeldet, nachdem die Wirtschaft im ersten Quartal noch um 2,0 Prozent geschrumpft war. «Der Aufschwung hat Tritt gefasst», sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

Das hat allerdings seinen Preis: Steigende Ausgaben im Kampf gegen die Coronakrise - etwa für Überbrückungshilfen an Unternehmen und für Impfstoffe - liessen das Staatsdefizit in der ersten Jahreshälfte auf 81 Milliarden Euro anschwellen. Ein grösseres Minus gab es seit der Wiedervereinigung nur im ersten Halbjahr 1995, als die Treuhandschulden in den Staatshaushalt übernommen wurden.

Ausgaben werden sich normalisieren

«Es gibt keinen Grund zur Schuldenpanik», sagte der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. «Die Ausgaben werden sich absehbar wieder normalisieren, bei den Einnahmen hat bereits die Trendwende eingesetzt.»

Im internationalen Vergleich ist das Defizit vergleichsweise klein. Es machte in der ersten Jahreshälfte 4,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus. «Damit steht Deutschland weiterhin wesentlich besser da als viele andere Länder der entwickelten Welt», sagte der Chefökonom der Berenberg Bank, Holger Schmieding. «So rechnen wir für die USA in diesem Jahr mit einem Fehlbetrag von 14 Prozent und für Grossbritannien von neun Prozent.»

Die Bundesbank sagt für 2022 einen deutlichen Rückgang der deutschen Defizitquote auf etwa 1,5 Prozent voraus - vorausgesetzt, die künftige Bundesregierung hält am aktuellen Kurs weitgehend fest. «Bei fortgesetzter Wirtschaftserholung können coronabedingte Ausgaben wie staatliche Überbrückungshilfen an Unternehmen auslaufen», erklärte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht.

Zudem dürften Steuern und Sozialbeiträge kräftiger fliessen. «Die Staatsfinanzen erholen sich insoweit automatisch», so die Bundesbank.

Sorge wegen nachlassendem Impftempo

Für konjunkturellen Schwung sorgten im Frühjahr vor allem die privaten Haushalte, die 3,2 Prozent mehr ausgaben als zuletzt. Der Staatskonsum kletterte um 1,8 Prozent. Der Aussenhandel allerdings bremste die Wirtschaft, weil die Exporte mit 0,5 Prozent schwächer zulegten als die Importe mit 2,1 Prozent.

Während vor allem die Dienstleister nach den monatelangen Einschränkungen wegen der Pandemie Morgenluft schnuppern, könnte es bei der Industrie trotz guter Aufträge oft noch besser laufen. Denn vielen Firmen machen die Lieferengpässe bei wichtigen Vormaterialien wie Mikrochips zu schaffen. Laut Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) klagen derzeit 83 Prozent der Unternehmen über Preisanstiege oder Lieferprobleme bei Rohstoffen, Vorprodukten und Waren.

«Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die deutsche Wirtschaft noch vor Jahresende das Vorkrisenniveau erreichen wird», sagte ING-Chefökonom Carsten Brzeski dazu. «Um dies wirklich zu erreichen, dürfen die derzeitigen Verwerfungen in der Lieferkette jedoch nicht zu lange andauern.»

Risiken für den Aufschwung drohen auch von anderer Seite. «Sorgen für die deutsche Konjunktur bereiten das nachlassende Impftempo und die Ausbreitung der Delta-Variante, wodurch die Infektionszahlen seit Juli wieder schnell und kontinuierlich steigen», sagte KfW-Chefökonomin Fritzi Köhler-Geib.

Nach Ende der Schulferien könnte sich die Lage im Herbst verschlechtern. «Angesichts der Eingrenzbarkeit von Infektionsrisiken mit Masken, Tests und vor allem Impfungen sind pauschale Schliessungen, etwa im Handel oder Gastgewerbe, allerdings inzwischen eher unwahrscheinlich.»

Die Wirtschaftsleistung lag trotz Aufholjagd zur Jahresmitte noch unter Vorkrisenniveau - also um 3,3 unter dem Wert von Ende 2019. Die Bundesbank geht davon aus, dass die Wirtschaft im laufenden Sommerquartal nochmals stärker wächst als im Frühjahr. Es bleibe abzuwarten, ob sie ihr Vorkrisenniveau im Sommer wieder erreiche oder erst im Herbst.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für Deutschland in diesem Jahr 3,6 Prozent Wachstum und für 2022 sogar plus 4,1 Prozent. Im Rezessionsjahr 2020 war das BIP wegen der Coronakrise noch um knapp fünf Prozent eingebrochen.

veröffentlicht: 24. August 2021 13:01
aktualisiert: 24. August 2021 13:01
Quelle: sda

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