Modellierungsszenarien wiesen darauf hin, dass dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Dezember und Januar eine möglicherweise sehr hohe Krankheitsbelastung durch die Delta-Variante drohe - es sei denn, man wende umgehend sogenannte nicht-pharmazeutische Interventionen (NPI) an, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Zu solchen Massnahmen zählen zum Beispiel Abstand halten und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Gleichzeitig müssten mehr Menschen geimpft werden, hiess es in der neuen Corona-Risikoeinschätzung des ECDC.
Die Festtage zum Jahresende seien traditionell mit Zusammenkünften, Shopping-Touren und Reisen verbunden, schrieb die in Stockholm ansässige Behörde weiter. Dies stelle ein erhebliches Risiko einer noch stärkeren Infektionsverbreitung dar.
Weil die Impfstoffe einen hohen Schutz gegen schwere Krankheitsfolgen bieten, werden Ungeimpfte laut ECDC-Direktorin Andrea Ammon eine grosse Zahl neuer Krankenhauseinweisungen ausmachen, darunter vor allem Ungeimpfte in Risikogruppen. Die derzeitige Gesamtimpfrate im EWR werde unzureichend sein, um die Belastung durch Corona-Fälle und Einweisungen in den Wintermonaten zu begrenzen. Europa müsse Immunitätslücken in der erwachsenen Bevölkerung schliessen.
Da der Impfschutz mit der Zeit offenbar abnehme, müssten nicht-pharmazeutische Massnahmen aufrechterhalten oder wiedereingeführt werden, sagte Ammon in einer Videobotschaft. Es gehe nicht darum, entweder zu impfen oder Massnahmen zu ergreifen. Vielmehr sei beides notwendig, um die Infektionsausbreitung zu minimieren. «Wir sollten nicht auf die Zunahme von Fällen warten, um persönliche Schutzmassnahmen einzuführen.»
Nicht ausreichende Impfzahlen und die weitgehende Massnahmenlockerung haben laut ECDC dazu beigetragen, dass die Corona-Zahlen im Oktober und Anfang November im Grossteil der EWR-Länder angestiegen sind. Bislang sind demnach 65,4 Prozent der Gesamtbevölkerung und 76,5 Prozent der Erwachsenen im EWR vollständig gegen Covid-19 geimpft worden. Zum Wirtschaftsraum zählen neben der Europäischen Union ausserdem noch Norwegen, Island und Liechtenstein.