Als wäre ein Zahnarztbesuch an sich nicht schon unangenehm genug, wurde die Behandlung für rund 350 Personen im französischen Marseille zum blanken Horror. 2005 eröffnete der Zahnarzt Lionel Guedj seine Praxis im Norden Marseille. Ein Ort, an dem insbesondere ärmere Menschen leben. Innert fünf Jahren mauserte sich Guedj zum bestbezahlten Zahnarzt Frankreichs.
Systematisch Zähne abgetötet
Nicht verwunderlich, empfing er teils bis zu 70 Patienten an einem Tag, was ihm ein monatliches Einkommen von 80'000 Euro einbrachte. Laut einem Expertenbericht heisst es, er habe einen Behandlungsplan gehabt, um systematisch so viele Zähne wie möglich abzutöten und zu überkronen, schreibt der «Spiegel».
Somit rechnete er 28 Mal mehr Zahnersatz ab, als andere Zahnärzte. Besonders sauber und hygienisch gearbeitet habe er auch nicht. Zahlreiche Personen klagten über schlecht sitzenden Zahnersatz, Abszesse oder gar Geschwüre. Über 300 seiner ehemaligen Patienten sind vor Gericht gezogen, um dem Zähne-Zieher einen Riegel vorzuschieben.
Es kommt immer dicker
Vor Gericht gab ein Prothesenhersteller an, dass Guedj bei ihm Prothesen bestellt habe, ohne diese anzupassen. Auch seine Sekretärin sagte gegen ihn aus. Sie erzählte vor Gericht, dass ihr Chef die Dreistigkeit besass, Röntgenaufnahmen von Patientinnen und Patienten mittels Bildbearbeitung zu verändern.
Gemäss Anklage gehen 3900 gesund abgetötete Zähne auf das Konto des Zahnarztes. Im Schnitt also elf Zähne pro Patient. Der 18-jährigen Sarah habe er geraten, alle Zähne entfernen zu lassen, sagt die junge Frau. Nach der Behandlung litt sie unter Mundgeruch und einer feuchten Aussprache. «Mir wurde zu spät klar, dass man sich mit 18 nicht 24 Zähne ziehen lässt», sagte die junge Frau.
Körperverletzung und Verstümmelung
Vor Gericht beteuerte er, dass er niemandem habe schaden wollen. «Meine Patienten waren wie eine zweite Familie für mich», behauptete er. Seine ehemaligen Patienten dürften das anders sehen. Die Anklage lautet auf mutwillige Körperverletzung und Verstümmelung. Die Höchststrafe für diese Vergehen beträgt zehn Jahre Haft. Am Donnerstag wird das Urteil erwartet.
(roa)