Das Massengrab in der Nähe der Stadt Kamloops in der westlichen Provinz British Columbia war Ende Mai entdeckt worden. Es fand sich auf dem Gelände der Kamloops Residential School, einer Art Umerziehungslager für Kinder kanadischer Ureinwohner, das zwischen 1890 und 1978 in Betrieb gewesen war. Wann und woran die Kinder starben, ist noch nicht bekannt. Einige von ihnen wurden nur drei Jahre alt.
Die Einrichtung bei Kamloops war nach Angaben von Indigenen die grösste ihrer Art in Kanada. Vom 17. Jahrhundert bis in die 1990er wurden solche sogenannten Residential Schools von der Regierung verwaltet und finanziert. Betreiber waren grösstenteils Kirchen und religiöse Organisationen.
Es handelt sich um eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Kanadas: Über Jahrzehnte riss die Regierung Tausende Söhne und Töchter aus ihren Familien und steckte sie in Internate. Dort sollten sie ihre Kultur vergessen - Feste, Lieder, Sprache, Religion - und die Traditionen der europäischen Einwanderer erlernen. Gewalt und sexueller Missbrauch waren praktisch an der Tagesordnung.
Die UN-Menschenrechtsexperten sprachen von «abscheulichen Verbrechen» und Menschenrechtsverstössen in den Internaten. In der Stellungnahme hiess es, es wäre «schlicht unvorstellbar», wenn der kanadische Staat und der Vatikan die Verantwortlichen ungeschoren davonkommen liessen und sich nicht um eine umfassende Entschädigung kümmerten.
Kanadas Premier Justin Trudeau machte der katholischen Kirche schwere Vorwürfe. Sie sei ihrer Verantwortung nie gerecht geworden und stemme sich noch immer gegen eine rückhaltlose Aufklärung. Er sei «tief enttäuscht» vom Vorgehen der Kirche, die nun endlich Dokumente freigeben und die Opfer der Verbrechen entschädigen müsse.