Die EU-Staaten haben angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran schon mehrmals die verhängten Sanktionen erweitert. Einreiseverbot, Einfrieren von Vermögenswerten und Verbote zur Bereitstellung von finanziellen Mitteln zählen zu den Sanktionsregelungen. Mitte November betrug die Liste der Personen, Einrichtungen und Organisationen, die von dieser Regelung betroffen waren, insgesamt 126 Personen und 11 Organisationen.
Am Montag hat der Rat der EU, in welchem die Aussenminister der Mitgliedstaaten sitzen, neue Sanktionen gegen den Iran beschlossen. So twitterte die Schwedische Ratspräsidentschaft in einem vagen Statement, dass diese sich an «diejenigen richten, welche die Unterdrückung vorantreiben».
At today’s #FAC the Ministers adopted a new package of sanctions against #Iran, targeting those driving the repression.
— Swedish Presidency of the Council of the EU (@sweden2023eu) January 23, 2023
The EU strongly condemns the brutal and disproportionate use of force by the Iranian authorities against peaceful protesters. @TobiasBillstrom pic.twitter.com/cNeXZCTK79
«Die EU muss dezidierter vorgehen»
Weitere Sanktionen seien nur ein weiterer Schritt, das genüge noch nicht. So sieht das Gilbert Casasus, emeritierter Professor für Europastudien an der Universität Freiburg. «Die EU soll dezidierter gegen den Iran vorgehen», meint der Politologe. Die EU soll in vielen anderen Bereichen mehr Profil zeigen, weil es um ein fürchterliches Regime, um fürchterliche Methoden gehe.
Doch in der EU gibt es zu diesem Thema keine einheitliche Linie. Casasus nennt ein Beispiel: Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock habe vor etwa vier Monaten gesagt, der Mord an Mahsa Amini «habe überhaupt nichts mit Religion zu tun». «Das ist meiner Ansicht nach nicht nur eine falsche, sondern auch eine gefährliche Analyse», so der Politologe. Es zeige aber, wie unterschiedlich die Haltung der EU-Länder zum Iran sei.
Die Schweiz soll nicht wegschauen
Die Schweiz hat anfangs November entschieden, die EU-Sanktionen wegen der Proteste im Iran nicht zu übernehmen. Lediglich den Sanktionen, welche die EU wegen iranischer Drohnenlieferungen an Russland ergriff, schloss sich die Schweiz an.
Das setze ein falsches Zeichen, meint EU-Experte Casasus. «Wenn man keine EU-Sanktionen übernimmt, die keine kriegerischen Sanktionen sind, kommt man dem iranischen System entgegen.» Menschenrechte spielten in der internationalen Politik heute eine zunehmende Rolle. Die Schweiz könne davor nicht die Augen verschliessen.
Es sei laut Casasus ein Widerspruch, dass die Schweiz Sanktionen gegen Russland übernommen hat und jene gegen den Iran nicht. «Einmal sagen wir ja, das andere Mal nein.» Die Schweiz habe zudem einen grossen Erfolg mit der Wahl in den UNO-Sicherheitsrat feiern können. «Aber man kann nicht einerseits sagen, wir wollen vorzügliche Arbeit im Sicherheitsrat leisten und andererseits nicht hinschauen, was zurzeit im Iran passiert. Das ist ein Widerspruch und die Schweiz muss aus diesem Widerspruch so schnell wie möglich raus.»
«Man kann der Tradition nur gewissermassen treu bleiben»
Der Bundesrat nannte die «Guten Dienste» und die «Schutzmachtmandate» als Gründe fürs Nicht-Sanktionieren. Mit Argumenten der Tradition könne man sich jedoch nicht zurückziehen, sagt Gilbert Casasus. «Das ist eine alte Funktion der Schweiz. Die Schweiz hat seit mehreren Jahrzehnten immer die Interessen der Vereinigten Staaten im Iran vertreten. Man kann der Tradition gewissermassen treu bleiben, aber man muss sich bewusst sein, dass sich einiges sowohl national als auch international und gerade im Iran entwickelt.»
Und nicht nur die Schweiz, auch die EU müsse laut Casasus mehr tun. «Es wäre notwendig, dass die EU die demokratische Opposition im Iran sowie jene, die in der EU ansässig und tätig ist, unterstützt. Das hat nicht nur symbolischen Charakters, das geht viel weiter.»