Damit blieb die Chefin der stärksten Oppositionspartei klar hinter den 98 Prozent zurück, mit der sie vor drei Jahren als erste Frau an die Spitze gewählt worden war. Die 50-Jährige fuhr das schwächste Ergebnis ein, das es bei einer Wahl zum SPÖ-Vorsitz ohne Gegenkandidaten je gab.
Rendi-Wagner wird allgemein eher als Gesundheitsexpertin denn als Parteistrategin wahrgenommen. Vor der Wiederwahl hatte sie ihre Rede genutzt, um sich scharf von der konservativen ÖVP unter Bundeskanzler Sebastian Kurz abzugrenzen. Sie stellte Kurz' demokratische Grundhaltung in Frage und warf seiner Partei vor, Justiz, Medien und sogar die katholische Kirche unter Druck zu setzen.
Die ehemalige Gesundheitsministerin erinnerte auch an die Versuche der ÖVP, die Aufarbeitung des so genannten Ibiza-Skandals zu behindern, der Fragen zu möglicher Vetternwirtschaft im rechten aufgeworfen hatte. «Mit mir an der Spitze der Sozialdemokratie wird es keine Regierungskoalition mit dem System Kurz geben», sagte Rendi-Wagner. Spätestens 2024 wird in Österreich ein neues Parlament gewählt.
Rendi-Wagner umschiffte auffällig das Thema Migration, bei dem die SPÖ eine viel liberalere Haltung als die Kanzlerpartei einnimmt. Auch aus den eigenen Reihen hatte sie in den vergangenen Jahren deshalb mit Gegenwind zu kämpfen. Einige Regionalpolitiker forderten wiederholt einen härteren Kurs und stellten auch Rendi-Wagner als Spitzenkandidatin in Frage.
Die SPÖ-Vorsitzende will ihre Partei als Hüterin von Demokratie und Gerechtigkeit positionieren. Für den Wiederaufschwung nach der Corona-Krise forderte sie Massnahmen gegen Massenarbeitslosigkeit, die Möglichkeit einer Vier-Tage-Arbeitswoche sowie höhere Steuern für Millionäre.
Die SPÖ liegt nach jüngsten Umfragen stabil bei 23 Prozent - etwas höher als das historische Tief von 21,2 Prozent, das die Partei bei der Parlamentswahl 2019 einfuhr. Die ÖVP, die gemeinsam mit den Grünen regiert, liegt mit 34 Prozent unangefochten an der Spitze.