Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat einen «Marshall-Plan» für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Ukraine gefordert. «Und wie damals das kriegszerstörte Europa braucht heute auch die Ukraine einen Marshall-Plan für den Wiederaufbau.»
Mit ihrem Marshall-Plan halfen die USA zwischen 1948 und 1952 Deutschland und anderen europäischen Staaten, nach sechs Jahren Krieg wieder auf die Beine zu kommen. Viele Milliarden US-Dollar wurden in den Wiederaufbau gesteckt.
In seiner Rede zu den Gipfeln von EU, G7 und Nato in den nächsten acht Tagen sagte Scholz der Ukraine auch weitere Waffenlieferungen zu. Den Nato-Staaten des östlichen Bündnisgebiets versprach er anhaltende Unterstützung zum Schutz vor Russland. «Wir werden jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets verteidigen», sagte er.
Scholz begründet Forderung mit seinem Ukraine-Besuch
In Vorbereitung auf den Gipfelmarathon hatte Scholz sich vergangene Woche in der Ukraine ein Bild von der Lage gemacht und unter anderem den teilweise zerstörten Kiewer Vorort Irpin besichtigt. «Das Ausmass der Zerstörung ist enorm», sagte er im Bundestag und begründete mit seinen Eindrücken auch die Forderung nach einem Marshall-Plan.
Seit Kriegsbeginn habe die Europäische Union bereits Mittel in Milliardenhöhe mobilisiert, Deutschland sei vorne mit dabei, sagte er. «Aber wir werden viele weitere Milliarden Euro und Dollar für den Wiederaufbau brauchen – und das über Jahre hinweg. Das geht nur mit vereinten Kräften.»
Europa steht geschlossen hinter Ukraine
Um die Hilfe zu organisieren will Scholz im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft eine internationale Expertenkonferenz einberufen. Man müsse sich darüber verständigen, welche Investitionen die Ukraine am schnellsten voranbringen auf ihrem europäischen Weg, sagte der SPD-Politiker.
Europa stehe geschlossen an der Seite des ukrainischen Volkes, versicherte der Kanzler. «Wir werden die Ukraine auch weiterhin massiv unterstützen – finanziell, wirtschaftlich, humanitär, politisch und nicht zuletzt mit der Lieferung von Waffen», sagte er und ergänzte: «Und zwar so lange, wie die Ukraine unsere Unterstützung braucht.»
Vom Nato-Gipfel in Madrid erwartet Scholz angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ein Signal des Zusammenhalts und der Entschlossenheit. «Eine Partnerschaft mit Russland, wie sie noch das Strategische Konzept von 2010 als Ziel ausgegeben hat, ist mit Putins aggressivem, imperialistischen Russland auf absehbare Zeit unvorstellbar», betonte er.
Taktisch klug agieren
Zugleich warnte er davor, daraus falsche Schlüsse zu ziehen. «Es wäre unklug, unsererseits die Nato-Russland-Grundakte aufzukündigen», sagte er. Das würde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Propaganda nur in die Hände spielen.
In der Nato-Russland-Grundakte von 1997 hatte sich die Nato auch verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung «substanzieller Kampftruppen» im östlichen Bündnisgebiet zu verzichten. Die geplante langfristige Verstärkung der Nato-Präsenz an der Ostflanke könnte die Spannungen mit Russland weiter verstärken.
Beim Nato-Gipfel vom 28. bis 30. Juni in Madrid wollen die Bündnispartner unter anderem über ein neues strategisches Konzept beraten.