Die Wankelmütige

So tickt die neue britische Premierministerin Liz Truss

05.09.2022, 18:24 Uhr
· Online seit 05.09.2022, 16:56 Uhr
Liz Truss tritt in die Fussstapfen von Ex-Premier Boris Johnson. Doch wie tickt die Politikerin? Was steht auf ihrer Agenda und was könnte ihr jetzt schon zum Verhängnis werden?
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Mary Elizabeth «Liz» Truss ist wie Ex-Premier Boris Johnson Mitglied der konservativen Tories. Eines steht fest: Truss bringt enorme Erfahrung mit. Nach insgesamt sechs Stationen als Ministerin – darunter für Frauen und Gleichstellung, Aussenangelegenheiten, internationalen Handel und Justiz – sowie Posten als Lord Chancellor und Staatssekretärin im Schatzamt, folgt nun die Krönung der politischen Karriere.

Linkes Elternhaus

Dass diese Karriere gerade bei den Konservativ-Rechten gipfelt, war lange Zeit nicht abzusehen. Liz wächst nämlich in einem politisch linksgesinnten Elternhaus auf, wie sie selbst in einem Interview erzählte. Die Mutter ist Krankenschwester, der Vater Mathematikprofessor. Schon früh wird Liz politisch aktiv, studiert in Oxford Philosophie, Politik und Ökonomie.

Dort wird sie bald Vorsitzende der liberaldemokratischen Hochschulgruppe sowie der Liberal Democrat Youth and Students. Sie engagiert sich für die Legalisierung von Cannabis, begleitet die Mutter bei Kundgebungen gegen Atomenergie und fordert in einem Vortrag am Parteitag der Liberaldemokraten 1994 gar die Abschaffung der Monarchie. Ein Auftritt, der bis heute nachhallt.

Zwei Jahre später aber wechselt Truss das Lager. Sie geht 1996, im Jahre ihres Abschlusses, zu den konservativen Tories. Interessant: 2016 ist sie nicht für den Brexit, sondern für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union. Ein Jahr später und nachdem klar ist, dass es zum Brexit kommen wird, sagt sie: «Ich habe geglaubt, dass es massive wirtschaftliche Probleme geben würde, aber diese sind nicht eingetreten.» Sie habe sich geirrt. Gerade Wankelmütigkeit und Opportunismus wird Truss gerne von politischen Gegnern vorgeworfen.

Gegen Woke-Kultur und Flüchtlinge

Heute wird sie dem rechten Flügel der Partei zugeordnet. Die 47-Jährige konnte im innerparteilichen Wahlkampf vor allem mit dem Vorhaben überzeugen, trotz enorm hoher Inflation sofort die Steuern senken zu wollen. Ausserdem sammelte sie bei der Parteibasis – die deutlich älter, männlicher und wohlhabender ist als der Durchschnitt der britischen Bevölkerung – Punkte mit einer konfrontativen Linie gegenüber der EU und populistischen Äusserungen zu Flüchtlingen, Linken, Umweltaktivisten, Woke-Kultur, streikenden Gewerkschaften, Beamtentum sowie gesellschaftlichen Minderheiten.

Sofortige Geldspritzen für das Volk?

Problem: Manche dieser Punkte scheinen ausserhalb der Macht der Regierung. Allen voran die enorme Inflation, die auch die Preise in Grossbritannien in die Höhe schiessen lässt. Je höher die Preise, desto unzufriedener die Bevölkerung. Die Aufgabe für Truss, die breite Bevölkerung von ihrer Kompetenz zu überzeugen, könnte demnach alles anderes als einfach werden, warnen Experten.

Angesichts der Wucht der Krise kündigte Truss deshalb bereits an, sie werde innerhalb einer Woche einen Plan ausarbeiten, um den Briten nun direkt mit finanziellen Zuwendungen unter die Arme zu greifen. Ob dies fürs erste ausreicht, um sich Luft zu verschaffen und gefestigt in die ersten Monate als Regierungschefin zu gehen, wird sich weisen.

(baz)

veröffentlicht: 5. September 2022 16:56
aktualisiert: 5. September 2022 18:24
Quelle: Today-Zentralredaktion

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