Mary Elizabeth «Liz» Truss ist wie Ex-Premier Boris Johnson Mitglied der konservativen Tories. Eines steht fest: Truss bringt enorme Erfahrung mit. Nach insgesamt sechs Stationen als Ministerin – darunter für Frauen und Gleichstellung, Aussenangelegenheiten, internationalen Handel und Justiz – sowie Posten als Lord Chancellor und Staatssekretärin im Schatzamt, folgt nun die Krönung der politischen Karriere.
I am honoured to be elected Leader of the Conservative Party.
— Liz Truss (@trussliz) September 5, 2022
Thank you for putting your trust in me to lead and deliver for our great country.
I will take bold action to get all of us through these tough times, grow our economy, and unleash the United Kingdom’s potential. pic.twitter.com/xCGGTJzjqb
Linkes Elternhaus
Dass diese Karriere gerade bei den Konservativ-Rechten gipfelt, war lange Zeit nicht abzusehen. Liz wächst nämlich in einem politisch linksgesinnten Elternhaus auf, wie sie selbst in einem Interview erzählte. Die Mutter ist Krankenschwester, der Vater Mathematikprofessor. Schon früh wird Liz politisch aktiv, studiert in Oxford Philosophie, Politik und Ökonomie.
Dort wird sie bald Vorsitzende der liberaldemokratischen Hochschulgruppe sowie der Liberal Democrat Youth and Students. Sie engagiert sich für die Legalisierung von Cannabis, begleitet die Mutter bei Kundgebungen gegen Atomenergie und fordert in einem Vortrag am Parteitag der Liberaldemokraten 1994 gar die Abschaffung der Monarchie. Ein Auftritt, der bis heute nachhallt.
Zwei Jahre später aber wechselt Truss das Lager. Sie geht 1996, im Jahre ihres Abschlusses, zu den konservativen Tories. Interessant: 2016 ist sie nicht für den Brexit, sondern für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union. Ein Jahr später und nachdem klar ist, dass es zum Brexit kommen wird, sagt sie: «Ich habe geglaubt, dass es massive wirtschaftliche Probleme geben würde, aber diese sind nicht eingetreten.» Sie habe sich geirrt. Gerade Wankelmütigkeit und Opportunismus wird Truss gerne von politischen Gegnern vorgeworfen.
Gegen Woke-Kultur und Flüchtlinge
Heute wird sie dem rechten Flügel der Partei zugeordnet. Die 47-Jährige konnte im innerparteilichen Wahlkampf vor allem mit dem Vorhaben überzeugen, trotz enorm hoher Inflation sofort die Steuern senken zu wollen. Ausserdem sammelte sie bei der Parteibasis – die deutlich älter, männlicher und wohlhabender ist als der Durchschnitt der britischen Bevölkerung – Punkte mit einer konfrontativen Linie gegenüber der EU und populistischen Äusserungen zu Flüchtlingen, Linken, Umweltaktivisten, Woke-Kultur, streikenden Gewerkschaften, Beamtentum sowie gesellschaftlichen Minderheiten.
Die Nachfolgerin von @BorisJohnson heisst Liz Truss @trussliz @BJennings90 sagt zum Wechsel: ‚out with the old, in with the old’#cartoon Prima Analyse von Patrik Wülser @srfnews https://t.co/otvMdEvsvF pic.twitter.com/0yrdxnfFDg
— Henriette Engbersen (@HeEngbersen) September 5, 2022
Sofortige Geldspritzen für das Volk?
Problem: Manche dieser Punkte scheinen ausserhalb der Macht der Regierung. Allen voran die enorme Inflation, die auch die Preise in Grossbritannien in die Höhe schiessen lässt. Je höher die Preise, desto unzufriedener die Bevölkerung. Die Aufgabe für Truss, die breite Bevölkerung von ihrer Kompetenz zu überzeugen, könnte demnach alles anderes als einfach werden, warnen Experten.
#GB | Die neue #Conservative Parteichefin #LizTruss habe sich ganz rechts positioniert, so @GrahameLucas. Damit gehe sie ein großes Risiko ein, da Premierminister der Konservativen im besten Falle von der Mitte oder sogar von links aus regieren. Die Partei scheint gespalten. pic.twitter.com/5nPgrkdZaq
— phoenix (@phoenix_de) September 5, 2022
Angesichts der Wucht der Krise kündigte Truss deshalb bereits an, sie werde innerhalb einer Woche einen Plan ausarbeiten, um den Briten nun direkt mit finanziellen Zuwendungen unter die Arme zu greifen. Ob dies fürs erste ausreicht, um sich Luft zu verschaffen und gefestigt in die ersten Monate als Regierungschefin zu gehen, wird sich weisen.
(baz)