Quelle: CH Media Video Unit / Katja Jeggli
Nach den heftigen Erdbeben in Syrien und der Türkei warnen Experten vor weiteren Erschütterungen im Westen der Türkei. Vor allem in der Grossstadt Istanbul mit 16 Millionen Einwohnern könnten die Folgen noch gravierender ausfallen, sagte der renommierte türkische Geologe Celâl Şengör (67) einem türkischen Fernsehsender.
Er rät den Einwohnern Istanbuls sogar wegzuziehen. «Verlassen Sie die Stadt, lassen Sie alles zurück», so Şengör. Sein Aufruf sei vielleicht etwas überspitzt formuliert, sagt Philipp Kästli vom Schweizerischen Erdbebendienst der ETH Zürich gegenüber der Radionews-Redaktion von CH Media – sie habe aber durchaus seine Berechtigung.
Istanbul liegt in gefährlicher Zone
«Es gibt Berechnungen für die nächsten rund 30 Jahre, die sagen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Erdbeben mit der Stärke 7 oder grösser in dieser Region rund 50 Prozent beträgt.» Das aktuelle Erdbeben im Südosten des Landes sowie im Norden Syriens habe allerdings wohl keinen Einfluss auf die Situation in Istanbul, so Kästli weiter. Das Risiko sei dadurch nicht gestiegen. Nichtsdestotrotz bleibe die Stadt «stark erdbebengefährdet».
Die grösste Metropole der Türkei liege in einer gefährlichen Zone in Bezug auf Naturkatastrophen, erklärt der Erdbeben-Experte: «Unter der Stadt verläuft die Nordanatolische Verwerfung. Entlang dieser Linie ist es schon öfters zu starken Erdbeben gekommen.» Jüngstes Beispiel ist jenes von Gölcük im August 1999, welches über 18'000 Menschenleben forderte.
Zustand der Gebäude kann entscheidend sein
Ein weiteres Indiz für baldige Erdbeben sei, dass es in Istanbul schon länger keines mehr gegeben hat. Die Kontinentalplatten, die um Istanbul herum aufeinandertreffen – bei der Nordanatolischen Verwerfung eben – bauen sich also schon länger Spannungen auf. Deshalb könne man schon abschätzen, wie wahrscheinlich ein starkes Erdbeben ist.
Entscheidend, wie stark ein Beben für Zerstörung sorgt, hängt laut Kästli aber auch immer davon ab, in welchem Zustand sich die Gebäude befinden. Im aktuellen Erdbebengebiet seien viele Bauten nicht erdbebensicher gewesen, weil es in der Türkei früher keine Bauschriften gegeben hatte. In Istanbul dürfte die Situation ähnlich sein.
(Manuel Iseli/mhe)