Biden soll in Brüssel gegen Mittag mit EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionschefin Ursula von der Leyen zusammenkommen. Ziel des Gesprächs ist, nach den vielen Konflikten mit Bidens Vorgänger Donald Trump neue Einigkeit der Verbündeten bei Themen wie Klimaschutz und dem Kampf gegen die Pandemie zu demonstrieren. Zudem wird es um die wirtschaftliche Erholung und die geopolitische Lage gehen.
Allerdings haben beide Seiten weiter ungeklärte Streitpunkte, darunter die in den vergangenen Jahren gegenseitig verhängten Strafzölle. Hier werde eine Lösung spätestens bis Jahresende gesucht, hiess es vorab aus EU-Kreisen. Der Gipfel werde nicht alle Probleme ausräumen, aber: «Die Diplomatie ist zurück.» Trump hatte die EU immer wieder verbal attackiert, mit Alleingängen brüskiert und Strafzölle verhängt, auf die Brüssel dann mit Gegenmassnahmen reagierte. Biden, der erkennbar mehr Wert auf engere Abstimmung mit Verbündeten legt, lobte hingegen schon am Wochenende: «Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass die Europäische Union eine unglaublich starke und lebendige Einheit ist.»
Biden ist seit vergangener Woche auf Europatour - es ist seine erste Auslandsreise seit seiner Amtsübernahme im Januar. Beim G7- und Nato-Gipfel und nun beim Treffen mit den EU-Spitzen will er die während der Ära Trump strapazierten Beziehungen mit den Verbündeten kitten und sich Unterstützung in der strategischen Rivalität mit China und Russland holen. Biden beriet sich beim Nato-Gipfel nach seinen Angaben mit den Verbündeten auch hinsichtlich seines Treffens mit Putin.
«Ich werde Präsident Putin zu verstehen geben, dass es Bereiche gibt, in denen wir zusammenarbeiten können, wenn er sich dafür entscheidet», sagte Biden nach dem Nato-Gipfel. «Und in den Bereichen, in denen wir nicht übereinstimmen, klarmachen, was die roten Linien sind.» Die Staats- und Regierungschefs der Nato hätten ihm gedankt, dass er sich jetzt mit Putin treffe.
An der gemeinsamen Gipfel-Erklärung der EU und der USA wurde vor dem Treffen bis zur letzten Minute gefeilt. Doch die Themen sind bekannt:
HANDEL: Nach Trump kam mit Biden Harmonie in die Beziehungen zur EU, aber ein grosser Knackpunkt bleibt: Beide Seiten haben Strafzölle gegeneinander verhängt und wären sie eigentlich gerne wieder los. Zum einen geht es um Zölle im endlosen Streit über Subventionen für die jeweiligen Luftfahrtkonzerne - Boeing in den USA und Airbus in der EU. Zum anderen um Trumps Strafzölle auf Stahl und Aluminium und die von der EU verhängten Gegenmassnahmen.
Man verwende «eine Menge Schweiss darauf, an einer Lösung zu arbeiten», heisst es aus EU-Kreisen. Den jüngsten Informationen zufolge könnte es beim Thema Airbus/Boeing bereits an diesem Dienstag einen Deal geben, wenn nicht zumindest bis zum 11. Juli. Beim Thema Stahl und Aluminium gestalten sich die Gespräche jedoch schwieriger. Da wollten sich die USA bis zuletzt nicht auf ein Enddatum verpflichten. Auf jeden Fall vereinbart werden soll ein sogenannter Handels- und Technologierat. Dieser könnte zum Beispiel gemeinsame Standards setzen und so Geschäfte erleichtern.
COVID-19: Wie schon beim G7-Treffen stimmt man im Ziel überein, die Corona-Pandemie so schnell wie möglich zu beenden und dafür die weltweite Impfkampagne zu beschleunigen. Auf dem Weg ist man sich aber nicht völlig einig. Biden hatte eine Aussetzung von Impfstoff-Patenten vorgeschlagen, was die EU skeptisch sieht.
KLIMA: Auch hier gibt es ein gemeinsames Ziel: Bis 2050 soll die Wirtschaft klimaneutral werden, das heisst, es sollen alle Treibhausgase vermieden oder gespeichert werden. Doch wurde man sich schon beim G7-Treffen zum Beispiel bei einem festen Ziel für den Kohleausstieg nicht einig. Die Vereinbarungen beim EU-Gipfel dürften diesen Knackpunkt auch nicht abräumen. Geplant ist aber eine Technologie-Partnerschaft, um grüne Innovationen voranzubringen.
GEOPOLITIK: Wie weiter mit Russland und China? Die grossen Themen von Bidens Europareise, die schon die Gipfel der G7 und der Nato bestimmten, kommen auch im Gespräch mit der EU auf den Tisch. Verkündet wird wohl anschliessend ein hochrangig besetzter Dialog von EU und USA zur Russland-Politik. Ein ähnliches Format gibt es schon zu China. Ziel ist eine engere Abstimmung im Umgang mit den beiden grossen Rivalen der Weltpolitik.