Bei Donald Trump weiss man nie, was man bekommt, aber dafür mit Sicherheit, dass es sich ziemlich häufig um etwas anderes als die Wahrheit handelt. Das zeigen jüngste Aussagen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten in einem Podcast einmal mehr deutlich auf.
Beim russisch-US-amerikanischen Podcaster Lex Fridman sprach Trump vor kurzem über den Wahlkampf gegen seine demokratische Gegenspielerin Kamala Harris. Dabei ging es unter anderem auch um die Wahl im Jahr 2020, wo Trump recht deutlich gegen Joe Biden verlor und seinen Posten im Weissen Haus nach vier Jahren räumen musste.
Trump wurde daraufhin in den vergangenen vier Jahren nicht müde zu betonen, dass ihm der Sieg gestohlen wurde. Diese Erzählung, für die es bis heute keine Beweise gibt, hat sich unter Teilen von Trumps Anhängern als «Big Lie» etabliert. Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass Trump eigentlich mehr Stimmen als Joe Biden geholt hatte und ihnen der Sieg von den Demokraten geklaut worden war. Den offiziellen Ergebnissen zufolge hat Trump 2020 ingesamt um die 74 Millionen Stimmen erhalten, Joe Biden holte circa deren 81 Millionen.
Umso irritierender ist nun, dass Trump im eingangs erwähnten Podcast plötzlich von seinem Narrativ abweicht. Er gestand nun nämlich ein, dass er «nur um Haaresbreite verlor» – also ein klarer Widerspruch zur Erzählung, wonach er um den Sieg betrogen wurde.
Wie die NZZ berichtet, hat Trump dieselben oder ähnliche Aussagen mindestens dreimal in den vergangenen Tagen gemacht. Nach dem Podcast-Interview bei Fridman auch während Wahlkampfevents im Süden der USA und in Florida.
Dass Trump nun plötzlich umschwenkt, stösst einigen seiner einst treuesten Unterstützer sauer auf. So bezeichnet ihn der rechtsextreme Antisemit und Holocaustleugner Nick Fuentes als «Betrüger» und «Verlierer». In einem Video auf X zeigt er auf, wie widersprüchlich und sinnbefreit es aus Sicht des Trump-Lagers ist, nach vier Jahren vom Big-Lie-Narrativ abzuweichen.
Nick Fuentes (@NickJFuentes) talks about Donald Trump's "I lost by a whisker" comment admitting he lost the 2020 Election.
— KaizerRev (@Kaizerrev) September 4, 2024
"Would have been good to know that before 16K people got charged. Before I got my money frozen & put on a Federal No Fly List." pic.twitter.com/v4pypEY6mV
Auch wenn von Fuentes in der Regel wenig Konstruktives zu vernehmen ist, so hat er in diesem Fall recht. Es ist kaum nachvollziehbar, warum Trump plötzlich zugibt, dass seine Big Lie nichts anderes war, als das, was ihr Name besagt: Eine grosse Lüge. Allerdings eine von jener Person, die die Geschichte in die Welt gesetzt hat.
Es ist genauso paradox, wie es klingt: Weshalb der ganzen Welt bewusst vier Jahre lang etwas vorlügen, um dann, wenn es nochmals ernst gilt, plötzlich zuzugeben, dass man gelogen hat?
Doch es sind nicht nur die neuen Widersprüche selbst, die Trumps Reputation ausnahmsweise wirklich schaden könnten. Das Eingeständnis könnte auch rechtliche Folgen haben. Eine neue Anklage des US-Justizdepartements wegen der Ereignisse rund um den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und das Verhalten Trumps nach seiner Niederlage bei der Wahl steht bevor.
Sonderermittler Jack Smith will Trump drankriegen, indem er zu beweisen versucht, dass dieser als Präsidentschaftskandidat versucht hatte, sich widerrechtlich an der Macht zu halten, indem er eine «Verschwörung» betrieb.
Beispielsweise, indem er unaufhörlich die Theorie der Big Lie verbreitete, obwohl er genau wusste, dass es sich um nichts anderes als eine Verschwörungstheorie handelte. Mit seinem Eingeständnis könnte Trump Smith also neues Material liefern.
Das sieht auch der einstige Trump-Jünger Fuentes so:
Weshalb Trump plötzlich zugibt, dass er verloren hat, weiss also wohl nur er selbst. Wobei selbst das angesichts einiger verwirrender und zusammenhangloser Aussagen in jüngerer Vergangenheit infrage gestellt werden darf: