Rassismus

«Mohrenkopf»-Inschriften in Zürich bleiben bestehen – Stadt gibt nicht auf

22.03.2023, 15:31 Uhr
· Online seit 22.03.2023, 11:53 Uhr
Der Zürcher Stadtrat wollte die beiden «Mohrenkopf»-Inschriften an Stadtzürcher Häusern abdecken lassen. Dagegen wehrte sich der Zürcher Heimatschutz – mit Erfolg.

Quelle: Mohrenkopf-Schriftzüge sollen abgedeckt werden, TeleZüri-Archivbeitrag vom 12. Juli 2023.

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Der Zürcher Stadtrat ist beim Baurekursgericht abgeblitzt. Die Schriftzüge «Zum Mohrentanz» am Haus an der Niederdorfstrasse 29 und «Zum Mohrenkopf» am Haus Neumarkt 13 in Zürich werden nicht abgedeckt.

Der Zürcher Stadtrat hatte im Juni 2022 entschieden, dass die beiden Inschriften abzudecken seien, weil er diese als rassistisch beurteilte. Dagegen rekurrierte der Zürcher Heimatschutz (ZHV) unter der Leitung des Stadtzürcher Heimatschutzes (SZH). Mit Entscheid vom 17. März gibt ihnen das Baurekursgericht recht, wie die Zürcher Heimatschutzverbände am Mittwoch mitteilten. Es erachte die Schriftzüge im Gegensatz zum Stadtrat als bedeutend für das äussere Erscheinungsbild der Fassaden der beiden Häuser, begründet das Gericht.

«Augenfällige charakteristische Merkmale»

Laut dem Gericht werden die Inschriften mit den Hausnamen vom Schutzzweck der beiden im kommunalen Inventar der Kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte aufgeführten Gebäude erfasst.

Das Baurekursgericht begründet den gutgeheissenen Rekurs damit, dass es sich bei den Gebäuden, die einen Namen trügen, um eine charakteristische Eigenschaft handle, welche die Häuser mit vielen andern historischen Gebäuden der Zürcher Altstadt teilten. Die Inschriften seien augenfällige charakteristische Merkmale von historischen Häusern Zürichs mit der Funktion als identifizierende Bezeichnungen.

Der Stadtrat beabsichtigt nun, den noch nicht rechtskräftigen Entscheid weiterzuziehen. Das sagte ein Sprecher des Präsidialamts gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die nächste Instanz ist das Verwaltungsgericht.

Ursprünglich wollte der Stadtrat die Inschriften ganz entfernen lassen.

In über 1000 Quellen erwähnt

Die Geschichte des Hauses am Neumarkt 13 reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Sein Name «Zum Mohrenkopf» taucht bereits 1443 in den Quellen auf. Der Hausname «Zum Mohrentanz» für das Gebäude an der Niederdorfstrasse 29 wird 1682 in den Quellen erwähnt.

Das Gericht ist der Ansicht, dass eine Abdeckung der Schriftzüge den Schutzzweck beziehungsweise das zu erhaltende Erscheinungsbild und den Zeugenwert der Gebäude beeinträchtigen würden. Das Gericht verweist allerdings darauf hin, dass die Herkunft der Namen und deren Aussagen zur Geschichte der Häuser noch nicht abgeklärt wurden. Auch eine reversible Abdeckung ändere nichts an den negativen Folgen einer Überdeckung, ergänzt das Gericht. «Das Erscheinungsbild und die Aussagekraft als Zeugen würden dauerhaft und auf unbestimmte Zeit beeinträchtigt.»

Kontextualisierung statt Entfernung

Laut dem ZHV stellt das Gericht bezugnehmend auf den Bericht der Projektgruppe Rassismus im öffentlichen Raum (PG RiöR) fest, dass der Begriff «Mohr» zumindest heute als rassistisch und diskriminierend empfunden werde. «Der Bericht komme aber auch zum Schluss, dass keine gesetzliche Pflicht zur Entfernung solcher Hausnamen bestehe.» Vielmehr schlage dieser drei Vorgehensweisen vor: Entfernung, Aufarbeitung und Kontextualisierung.

Bei den beiden Hausnamen «Zum Mohrentanz» und «Zum Mohrenkopf» handelt es sich laut dem Gericht nicht um direkt diskriminierende Aussagen. Die mittelbar diskriminierende Wirkung hingegen bleibe subtil und schwer fassbar. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil der Begriff «Mohr›» heute kaum mehr verwendet werde und offensichtlich altertümlich erscheine.

Das Gericht kommt laut der Mitteilung zum Schluss und gibt damit dem Zürcher Heimatschutz (ZHV) und dem Stadtzürcher Heimatschutz SZH recht, dass mit einer Kontextualisierung auf die rassistische Konnotation des Begriffs Mohr verwiesen und gleichzeitig eine Distanzierung zur rassistischen Geisteshaltung zum Ausdruck gebracht werden könne. Unter Kontextualisierung versteht das Gericht einen erklärenden Text zu den Hausnamen mit dem historischen Hintergrund.

veröffentlicht: 22. März 2023 11:53
aktualisiert: 22. März 2023 15:31
Quelle: ZüriToday

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