Schweiz

«Hungersituation» und «Preisanstieg»: Haben wir zu wenig Inlandgemüse?

Gemüsemangel

«Hungersituation»: Haben wir zu wenig Inlandgemüse?

· Online seit 23.11.2021, 18:55 Uhr
Für die Schweizer Bauern war 2021 ein Jahr zum Vergessen. Der kalte und nasse Sommer hat auf den Feldern seine Spuren hinterlassen – und auch im Portemonnaie der Landwirtschaftsbetriebe. Dies dürfte für die Schweizerinnen und Schweizer auch bald beim Einkaufen spürbar sein.
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Bis zu 50 Prozent Ertragseinbusse bei Zwiebeln soll es schweizweit im Jahr 2021 gegeben haben. Dies geht aus Recherchen der Nachrichtenagentur Keystone-SDA hervor. Doch nicht nur die Zwiebeln sind von den starken Einbussen betroffen, sondern das ganze Lagergemüse. Gegenüber ArgoviaToday erwähnt ein Aargauer Bauer, welcher anonym bleiben will: «Vor noch hundert Jahren wären wir nun in einer Hungernotsituation.»

Dass das inländische Gemüse dieses Jahr rar ist, bestätigt auch Suzanne Schnieper, die am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg für den Bereich Gemüse und Beeren verantwortlich ist. Zur Zwiebel-Situation sagt sie: «Wir haben auch im Aargau weniger Zwiebeln als in den Vorjahren.»

Schlechtes Sommerwetter ist schuld 

Grund für das fehlende Lagergemüse sind die starken Niederschläge und der viele Hagel während des Sommers. Lagergemüse wie Karotten, Rande und Zwiebeln konnten durch die Nässe erst später angesät werden. Dadurch sinkt die zu erwartende Erntemenge und das Gemüse fällt kleiner aus als sonst. «Es kann nicht lange genug wachsen», so der Aargauer Bauer.

Laut Suzanne Schnieper wurden vor allem im Berner Seeland viele Gemüsekulturen in der langen Regenperiode im Sommer überschwemmt. Dadurch wurden Tonnen an Gemüse ungeniessbar – ein riesiger Ernteausfall. Doch auch die Qualität des Gemüses, das den harschen Sommer überlebte, liess zu wünschen übrig. Es kam vermehrt zu Pilz- und Schädlingsbefall und von der Grösse her konnte ein Teil des Gemüses nicht mit der Qualität der Vorjahre mithalten. So war und ist es einerseits schwierig, das Gemüse lagern zu können und andererseits auch, es an Gastrobetriebe zu verkaufen. Dies bedeutet weniger Inlandgemüse für den Winter und Einnahmeverluste für die Aargauer Bauern.

Dabei reden wir von Beträgen, die den Bauern an die Substanz gehen: Es ist «ein grosses Stück», das durch die schlechten Ernten wegfällt, so der Bauer, der anonym bleiben will. Die Rede ist von rund einem Drittel des ganzen Erntevolumens.

Zu wenig Inlandprodukte, mehr Import

Die schlechten meteorologischen Bedingungen haben aber nicht nur auf die finanzielle Situation der Bauern und Bäuerinnen Auswirkungen, sondern auch auf das Angebot in Migros, Coop und Co. Schnieper erklärt: «Viele Kulturen konnte man erst spät ansäen. Zum Beispiel werden Rüebli erst nach Gerste gesät – die Getreidefelder konnte man aber lange nicht ernten.» Diese Verzögerung führte dann wiederum zu niedrigerem Ertrag.

Die leeren Lager in der Schweiz haben nun zur Folge, dass Auslandsgemüse in grösseren Mengen und zu einem früheren Zeitpunkt, als dies normalerweise der Fall ist, importiert werden müssen. Erwartet wird, dass bereits zu Beginn des Frühlings gewisses Gemüse aus dem Ausland in den Regalen zu finden sein wird. Dazu kommt: «Die Verkaufspreise von Inlandsprodukten werden stark ansteigen», ist der Aargauer Bauer überzeugt. Mit wie vielen Prozenten gerechnet werden muss, kann man jetzt noch nicht sagen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in der Schweiz entwickelt – und zu hoffen, dass der nächste Sommer wieder sonniger wird.

(mbr/umt)

veröffentlicht: 23. November 2021 18:55
aktualisiert: 23. November 2021 18:55
Quelle: ArgoviaToday

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