Die Bilder und Videoaufnahmen der Flugzeuge, die mit voller Wucht in die Zwillingstürme fliegen, gingen um die Welt – und versetzten sie in eine Schockstarre. Es war eine Zäsur. Es gab ein vor 9/11 und ein Danach. Gleichzeitig mit dem Attentat startete auch dessen Aufarbeitung – und damit auch die wildesten Verschwörungstheorien.
Die Behauptung
Anhängerinnen und Anhänger dieser Theorie behaupten, die Zwillingstürme hätten nach den Flugzeugeinschlägen nicht so einstürzen dürfen. Ausserdem hätte das benachbarte World Trade Center 7, in das kein Flugzeug geflogen war, auf keinen Fall einstürzen dürfen. Denn die Hitze der ausgebrochenen Feuer hätte nicht ausgereicht, um die Stahlträger der Gebäude zu schmelzen – angeblich eine Voraussetzung für das Zusammenstürzen der Türme. Deshalb gehen sie davon aus, dass die Gebäude aktiv gesprengt wurden.
Was ist dran?
Die Behauptung wird vor allem durch die «Truther»-Bewegung («9/11 Truth Movement») verbreitet. Einer ihrer Helden ist der Hausmeister William Rodriguez, der sich während der Anschläge im World Trade Center befand. Er sagte 2004 nach dem Erscheinen des Berichts der 9/11-Kommission, dass es eine Explosion in den tiefen Kellergeschossen gegeben habe, noch bevor das erste Flugzeug in das Gebäude flog. Auch andere Augenzeugen berichteten von Explosionen, die sie vor dem Einsturz der Türme gesehen haben wollen.
Das sagen die Experten dazu
Der Kernphysiker Gero Hümmler sagte der «Rheinischen Post» letztes Jahr, dass die Mitglieder der Bewegung davon ausgehen, dass die Türme nicht senkrecht hätten einstürzen dürfen, sondern zur Seite hätten kippen müssen. Der Physiker begegnet dem jedoch: «Ein Wolkenkratzer dieser extremen Höhe und mit der Gewichtskraft kann ab einem gewissen Neigungswinkel aber gar nicht anders, als senkrecht einzustürzen.» Jeder der beiden Türme hatte ein Gewicht von 450’000 Tonnen. Was mit einer solchen Konstruktion passiere, könne man in den Videos genau beobachten.
«Die etwa 30 Stockwerke oberhalb der Einschlagstelle beginnen, in Richtung der grössten Beschädigung zu kippen – bei einer Neigung von 30 Grad halten die schwachen Seitenkonstruktionen dem enormen Gewicht aber nicht stand, sodass der kippende Gebäudeteil kollabiert. Ab dem Moment stürzen 100’000 Tonnen Stahl in die Tiefe und nehmen alles mit, was ihnen im Weg steht», so Hümmler.
Auch den zweiten wichtigen Punkt der Truther-Bewegung, dass die Hitze von brennendem Flugzeugkerosin nicht ausreiche, um Stahl zu schmelzen, entkräftet der Physiker. Zwar stimme die Behauptung auf den ersten Blick. Denn Stahl schmilzt erst bei einer Temperatur von circa 1500 Grad Celsius, während im World Trade Center eine Maximaltemperatur von 700 Grad erreicht worden war. Jedoch: «Die Stahlträger sind ja auch nicht geschmolzen. Sie haben sich so stark verformt, dass sie eingeknickt sind», so Hümmler. Denn: Die Belastbarkeit von Baustahl liegt bei 600 Grad Celsius noch bei der Hälfte.
Eine etwas ungewöhnliche Darstellung dieses Phänomens
Es sei denn auch nicht überraschend, wie das Gebäude eingestürzt ist: «Bis das Gebäude einstürzte, hat es in mehreren Stockwerken schon mindestens fünf Stunden gebrannt, Fotos und Videos zeigen, dass hauptsächlich die unteren betroffen waren», so der Physiker. Deshalb habe der Einsturz auch unten begonnen und nicht oben. Dabei sei jedoch, so Hümmler, nicht einmal die reduzierte Kraft des Stahls entscheidend gewesen für den Einsturz, sondern eine andere Fähigkeit.
Das National Institute of Standards and Technology (NIST, vergleichbar mit der Empa) stellte im November 2008 die Wärmeausdehnung der Stahlträger als Hauptursache des Gebäudeeinsturzes fest. Durch die Hitze der Brände seien Deckenträger aus ihren Halterungen gebrochen, so dass schliesslich drei zentrale Stützpfeiler seitwärts einknicken konnten. «Der Einsturz verlief exakt so, wie es bei dieser Ursache zu erwarten gewesen wäre», erklärte der Experte der Post.