Dienstagnachmittag. Marianne Lütolf arbeitet als Matrosin der «Brestenberg» auf dem Hallwilersee. «Michu», wie sie ihre Kolleginnen und Kollegen liebevoll nennen, ist auf dem Schiff neben dem Billett-Verkauf vor allem für die Sicherheit der Passagiere verantwortlich. Rettungsaktionen von Tieren steht eigentlich nicht in ihrem Jobprofil.
Kurz nach 17 Uhr meldete sich jedoch Schiffsführer Urs Steiger über Funk. Er hat im See etwas gesehen. «Er vermutete einen Bussard im Wasser», erzählt Marianne Steiger. Das Schiff kreuzte gerade den See von Beinwil am See nach Meisterschwanden. «Den gehen wir retten», habe der Kapitän gefunkt.
Lütolf und ihr Kollege Daniel Baumann zogen wie bei der Rettung eines Passagiers ihre Rettungswesten an und «bewaffneten» sich mit einem Geschirrwaschkorb, einem Bootshaken und einem Geschirrtuch. «Ich hab mir schon ausgemalt, wie der Bussard uns kratzt und pickt, wenn wir ihn aus dem Wasser holen.»
Rettungsaktion mit Einkaufskörbli und Bootshaken
Die Befürchtung war unbegründet. Es stellte sich bald heraus, dass es kein Bussard, sondern eine Taube war, die hier im See um ihr Leben schwamm. «Wir knieten uns hin und versuchten, sie mit einem ‹Einkaufskörbli› und dem Rettungshaken aus dem Wasser zu holen. Zuerst entwischte sie uns. Als sie aber merkte, dass wir ihr helfen wollen, schwamm sie mit letzter Kraft von sich aus zu uns.»
Matrosin «Michu» hat die völlig entkräftete Taube dann in ein Tuch eingewickelt und in eine leere Kartonschachtel gepackt. «Ich hatte noch nicht Feierabend und musste nochmals auf eine Rundfahrt. Die Taube fuhr mit uns mit.» Nach der letzten Rundfahrt im Hauptquartier in Meisterschwanden angekommen, war die Taube immer noch völlig regungslos. Tierliebhaberin Lütolf nahm sie dann mit sich nach Hause. Dort wärmte sie die Taube, fütterte sie und legte sie über Nacht in eine mit Decken ausgekleidete Hundebox.
Als Lütolf am Morgen nach der Taube schaute, war diese schon viel munterer. Sie brachte sie nach draussen, wo sie dann schliesslich davon flog. Zurück blieben nur zwei Federn. «Ich glaube, die Taube wollte damit ‹Merci› sagen», erzählt die Tierretterin mit einem Schmunzeln.
Nicht die erste tierische Rettungsaktion
Lütolf ist froh, dass sie noch keine Menschen aus dem See retten musste. Bis jetzt waren es nämlich immer nur Tiere. Neben der Taube erinnert sie sich noch an einen Fall, der aber schon ein paar Jahre zurückliegt. «Wir haben damals den Hund einer Kollegin aus dem See gerettet. Der Kooiker, ein holländischer Wasserhund, war beim Spazieren offenbar durch eine Nordic Walkerin so erschrocken, dass er in den See sprang und davon schwamm. Wir konnten ihn dann später vom Schiff aus retten.»