Teuerungszuschläge gestrichen

«Wir sind enttäuscht»: Ex-Angestellte des Kernkraftwerks Gösgen wehren sich

05.07.2023, 14:13 Uhr
· Online seit 04.07.2023, 12:14 Uhr
Das Kernkraftwerk Gösgen wollte ehemaligen Angestellten die Teuerungszuschläge zum Teil massiv kürzen. Es geht um drei- bis vierstellige Beträge. Nun hat das Richteramt Olten-Gösgen entschieden, dass dies nicht zulässig ist. Was ist genau passiert?
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Du arbeitest dein Leben lang für ein bestimmtes Unternehmen oder auch für mehrere Konzerne. In einem bestimmten Alter wirst du pensioniert, dein Berufsleben geht zu Ende. Die finanziellen Mittel, die dir zur Verfügung stehen, ergeben sich aus all deinen Einzahlungen in Vorsorgeeinrichtungen. Das funktioniert jahrelang gut, du erhältst deine monatlichen Beiträge – und auf einmal wird dir ein viel kleinerer Lohn überwiesen, als zuvor.

So geschehen bei Hunderten pensionierten Angestellten des Kernkraftwerks Gösgen (KKG), wie «Blick» schreibt. Das KKG wollte diesen die Teuerungszuschläge zum Teil massiv kürzen. Offenbar haben die Konzernverantwortlichen versucht, die Rentner mit einer Einmalzahlung von 2000 Franken zum Verzicht auf ihre Zulagen zu bewegen.

Der faule Apfel wird entdeckt

Einer davon ist Christian Tännler. Er war im KKG 32 Jahre lang für die nuklearen Hilfsanlagen zuständig und erklärt, wie die ganze Geschichte ins Rollen geriet. «Vier Personen haben bemerkt, dass der Betrag, der für das Bezahlen der Teuerung gedacht war, vom KKG aufgelöst wurde», erklärt Tännler. Anschliessend habe sich die Gruppe nach einem Jurist umgeschaut und zusammen mit ihm eine Klage eingereicht. Es sei vor allem auch darum gegangen, dass das Geld aufgrund der Verjährungsfrist nicht verloren geht. Diese sogenannte «stille Reserve» von insgesamt neun Millionen Franken könne nur durch eine klare Begründung aufgelöst werden – das sei aber nie passiert und stehe auch so im Gerichtsurteil, weiss Tännler.

«Im Verwaltungsrat sitzen diverse hohe Politker, die ohne mit der Wimper zu zucken abgesegnet haben, dass diese neun Millionen gestrichen werden», so Tännler weiter. Das tue ihm weh. Die Pensionierten seien jene, die das Kraftwerk aufgebaut hätten. «Dieser Einsatz, den wir geleistet haben, wird von der Generation, die jetzt am Steuer ist, überhaupt nicht goutiert», erzählt Tännler enttäuscht.

Es werden drei Millionen Franken gefordert

Ab dem Jahr 2015 wurden die Zulagen gestrichen, das bestätigt Guido Lichtensteiger, Mediensprecher Alpiq, in einer schriftlichen Stellungnahme. Rund drei Jahre später haben sich über 200 pensionierte Angestellte zusammengetan, um die fehlenden Beträge einzufordern. Es handelt sich um rund drei Millionen Franken.

Doch weil in der Schweiz keine Sammelklagen zulässig sind, muss jede Person einzeln gegen das KKG, klagen. Einer davon hat dies nun erfolgreich getan. Er bekam vom Richteramt Olten-Gösgen Anfang Juni in allen Punkten recht. Der fehlende Betrag von rund 5500 Franken muss ihm vom KKG inklusive Zinsen zurückbezahlt werden. Dieses Urteil dürfte auch die anderen Senioren dazu bewegen, um ihre Zuschläge zu kämpfen. Einzige Schwierigkeit: Das kostet viel Zeit – und diese läuft manchen wegen ihres hohen Alters davon.

Das KKG zieht das Urteil weiter

Das KKG habe bis 2014 eine freiwillige Teuerungszulage für Rentnerinnen und Rentner bezahlt, erklärt Lichtensteiger. Die Kürzung der freiwilligen Zulagen sei aufgrund verschiedener Massnahmen zur finanziellen Stabilisierung per Ende 2014 aufgehoben worden. Dies sei so ausführlich mit der Pensionierten-Vereinigung diskutiert worden und es wäre eine Einigung auf eine Einmalzahlung erfolgt. Auch bestätigt Lichtensteiger, dass im Herbst 2018 eine Gruppe Rentner an das KKG herantrat, um die freiwillige Teuerungszulage rückwirkend für die Jahre 2015 bis 2018 sowie einen Anspruch für künftige Jahre geltend zu machen.

Weiter erklärt Lichtensteiger, dass das KKG das Urteil zur Kenntnis genommen habe und in entscheidenden Punkten als unzutreffend erachtet. «Daher legt das KKG beim Obergericht des Kantons Solothurn fristgerecht Berufung gegen das Urteil ein», so Lichtensteiger.

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veröffentlicht: 4. Juli 2023 12:14
aktualisiert: 5. Juli 2023 14:13
Quelle: 32Today

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