Es sei davon auszugehen, dass die akute Bedrohungsituation im Jahr 2017 von rund 20 Minuten mit unmittelbarer Todesgefahr geeignet sei, eine langjährige, die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigende psychische Störung auszulösen, heisst es in den Erwägungen des am Donnerstag publizierten Entscheid der zuständigen Abteilung des Bundesgerichts in Luzern.
Das Bundesgericht beruft sich dabei auf den «gewöhnlichen Lauf der Dinge» und auf «die allgemeinen Lebenserfahrung». Es weist darauf hin, dass der Mann eine erhebliche prätraumatische Belastung aufweise. So sei er bereits als Kind durch die Gewalttätigkeit seiner Mutter traumatisiert worden.
Vor Schockereignis als Maurer gearbeitet
Dies habe sich sehr ungünstig auf seine Persönlichkeitsentwicklung ausgewirkt. Vor dem Schreckereignis sei der Mann soweit gut psychisch kompensiert gewesen, dass er als Maurer voll arbeitsfähig gewesen sei.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) hatte beim Aargauer Versicherungsgericht erreicht, dass die Leistungen nach zusätzlichen Abklärungen per Ende Juli 2021 eingestellt wurden. Die Suva hatte die Leistungen zunächst ab November 2019 eingestellt. Der Mann war bei der Suva unter anderem gegen die Folgen von Nichtberufsunfällen versichert.
Das Versicherungsgericht kam zum Schluss, dass die psychischen Beeinträchtigungen nach diesem Zeitpunkt nicht mehr in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Schreckereignis von 2017 stünden.
Mit entsicherter Pistole bedroht
Das Schockereignis erschütterte den Mann. Am 18. März 2017 hatte jemand an der Terrassentüre des vom Mann mit seiner Ehefrau bewohnten Einfamilienhauses geklopft. Als er öffnete, drang ein Mann ein und zückte schreiend und wild gestikulierend eine geladene und entsicherte Pistole, wie es im Entscheid des Bundesgerichts heisst.
Der Bewaffnete bedrohte den Bewohner im Beisein der drei minderjährigen Kinder - unter anderem setzte er dem Mann den Lauf der Waffe an die Brust.
Täter war betrunken
Nach einer Weile zog sich der alkoholisierte Täter zurück und verschwand. Es handelte sich um den Ex-Freund einer von der Familie des Opfers aufgenommenen Frau. Der Täter wurde per Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau verurteilt.
Dass das Opfer bei dem Vorfall keiner unmittelbaren physischen Gewalt ausgesetzt war und keine Schüsse abgegeben wurden, ändert am Geschehen nichts, wie es in den Erwägungen des Bundesgerichts in Luzern heisst.
Bei einem Schreckereignis stehe die psychische Stresssituation im Vordergrund. Dem somatischen Geschehen komme keine Bedeutung zu. (Urteil 8C_551/2022 vom 31.3.2023)