Das Absurde an der Situation jedoch: Ehemalige Kindergärtnerinnen, die sich auf eine Stelle als Lehrerin bewerben, wird der Einstieg als Primarlehrerin verwehrt. So passiert ist dies bei Yvonne*, einer 53-jährigen ehemaligen Kindergärtnerin aus dem Aargau.
Von der Kindergärtnerin zur Primarlehrerin
Heutzutage ist der Studiengang für Primarlehrerinnen und Kindergärtner beinahe identisch und fast jeder hat die Möglichkeit, eine Ausbildung im Bereich Pädagogik zu durchlaufen, egal ob er oder sie zuvor eine Berufslehre, Matura oder eine andere Mittelschule absolviert hat. Früher war dies allerdings nicht so: Yvonne* besuchte damals das «Töchti» – heute vergleichbar mit der Fachmittelschule. Mit diesem Abschluss konnte sie nur als Kindergärtnern, nicht aber als Primarlehrerin arbeiten.
Als Yvonne* sich nun für eine Stelle als Primarlehrerin bewerben wollte, hiess es vonseiten der entsprechenden Schule, sie müsse zuerst ein ungekürztes Studium als Primarlehrerin an der Fachhochschule Nordwestschweiz nachholen – dies dauert dreieinhalb bis vier Jahre. Ihre Ausbildung als Kindergärtnerin, diverse Weiterbildungen und über zehn Jahre Berufserfahrung wurden ihr schlichtweg nicht angerechnet.
Yvonne* kann nur schwer nachvollziehen, weshalb ihr der Weg zur Primarlehrerin so schwer gemacht wird – vor allem, weil gleichzeitig in der Volksschule Personen eingestellt werden, die nicht annähernd dafür qualifiziert sind. So zum Beispiel die 20-jährige Anja*, die kurz nach ihrem Abschluss an der Kantonsschule als Aushilfe in einer zweiten Klasse unterrichten durfte – ohne jegliche pädagogische Ausbildung.
Lieber Laien als Fachpersonal?
Doch wie kommt es zu diesem Widerspruch? Simone Strub, Kommunikationsleiterin des kantonalen Departements für Bildung, Kultur und Sport, erklärt: «Grundsätzlich ist es im Kanton Aargau so, dass die Schulbehörde vor Ort – also in der Regel der zuständige Gemeinderat und die Schulleitung – entscheidet, wen sie anstellen wollen. Ziel ist es selbstverständlich, jemanden zu finden, der stufengerecht ausgebildet ist. Es gibt aber immer wieder Fälle, bei denen Leute noch in der Ausbildung sind oder das Ziel haben, Lehrperson zu werden und so dann Leute angestellt werden, welche die Anforderungen noch nicht vollständig erfüllen.»
Diese Personen dürfen allerdings nur unter gewissen Bedingungen unterrichten: «Wenn sich eine Schule entscheidet, jemanden anzustellen, der noch nicht oder nicht vollständig die Anforderungen einer stufengerechten Ausbildung erfüllt, dann trifft die Schule mit dieser Person eine Vereinbarung, was noch an Leistungen nachgeholt werden muss und entscheidet auch, ob die Person noch durch eine erfahrene Lehrperson Unterstützung erhält. Das Ziel ist immer, einen qualitativ guten Unterricht sicherzustellen.» Ausserdem gebe es für Lehrpersonen, welche diese Anforderungen nicht erfüllen, normalerweise einen Lohnabzug, so Strub.
Lehrpersonenmangel sorgt für Ausnahmen
Dass Personen, die noch keinen entsprechenden Abschluss haben, angestellt werden, sei nicht die Regel, sondern eher eine Ausnahme. Zudem habe dies momentan vor allem mit dem Lehrpersonenmangel zu tun, betont Simone Strub. «Das sind Personen, die bereits in einer Quereinsteigerausbildung sind, also von einem nicht pädagogischen Beruf den Wechsel machen wollen und bereits an der Pädagogischen Hochschule studieren. Oder es sind Leute, welche die Stufe wechseln wollen», erklärt Strub.
Der Lehrpersonenmangel werde den Kanton so oder so wohl noch länger beschäftigen: «Die Situation bleibt angespannt, es bleibt ein schweizweites Phänomen und es ist nicht davon auszugehen, dass dies kurzfristig vollständig gelöst werden kann. Man muss Wege finden, wie man damit umgehen kann und mittel- und langfristig Massnahmen ergreifen, damit es ein attraktiver Beruf bleibt, den junge Leute ergreifen, damit bereits ausgebildete Leute in diesen zurückkehren und allenfalls auch gerne höhere Pensen unterrichten wollen.»
Den Beitrag von Radio Argovia kannst du dir hier nochmals anhören.
*Namen der Redaktion bekannt
(umt/box)