Lohnabstand

Arbeit müsse sich lohnen – Regierungsrat will Sozialhilfe dafür aber nicht kürzen

· Online seit 23.09.2023, 08:55 Uhr
FDP-Grossrat Adrian Schoop will das Sozialhilfegesetz verschärfen. Es müsse auf dem Konto einen Unterschied machen, ob jemand Sozialhilfe bezieht oder einer Arbeit nachgeht, sagt er. Das sei nicht umsetzbar, sagt der Regierungsrat.
Eva Berger/Aargauer Zeitung
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Wer im Aargau Sozialhilfe bezieht, soll damit finanziell nicht besser dastehen, als jemand, der für sein Geld arbeitet, sagt FDP-Grossrat Adrian Schoop. Entsprechend fordert er ein sogenanntes Lohnabstandsgebot für die Sozialhilfe, im Juni hat er dazu eine Motion im Grossen Rat eingereicht. Zu viel Sozialhilfe verhindere Anreize, sich aus der Abhängigkeit zu befreien. Dabei müsse diese nur das soziale Existenzminimum sichern, begründete Schoop seine Idee. Es sei ungerecht, wenn eine arbeitende Person weniger Geld zur Verfügung habe als ein Sozialhilfebezüger. Arbeit solle sich schliesslich lohnen.  

Dass die Sozialhilfe für eine Person nicht grösser ausfällt, als der Lohn aus einer Erwerbsarbeit wäre, sei als Prinzip im schweizerischen Sozialhilferecht grundsätzlich verankert, hält der Regierungsrat in seiner jetzt veröffentlichten Antwort fest. Er teile die Haltung, wonach sich Arbeit lohnen soll. Ein Lohnabstandsgebot ins Gesetz aufnehmen will er aber nicht. Er lehnt den Vorstoss ab – und geht ausführlich darauf ein, warum Schoops Forderung gar nicht umsetzbar wäre, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt.

Wenig Wirkung, kein Referenzwert

Erstens könne man die Menschen nicht in die zwei Kategorien der Sozialhilfebeziehenden und der Erwerbstätigen einordnen. Mit 31,6 Prozent sei ein erheblicher Teil der Sozialhilfebeziehenden in der Schweiz arbeitstätig. Ihr Einkommen wird durch die Sozialhilfe aufgestockt, damit ihr soziales Existenzminimum gedeckt ist. Hier könne man punkto Anreize nichts erreichen.

Zweitens könne man die Sozialhilfe nicht unter den tiefsten Löhnen ansetzen, wenn diese das Existenzminimum nicht abdeckten. Drittens bestünden bereits Anreize und Sanktionsmöglichkeiten, um Sozialhilfebeziehende zur Arbeit zu motivieren. Eine 2021 durchgeführte Befragung bei den Gemeindesozialdiensten habe aber gezeigt, dass finanzielle Anreize nur eine begrenzte Wirkung haben. Die gesundheitliche Situation, enge Betreuung und Programme zur Integration seien effektiver.

Viertens fehle für die Einführung eines Lohnabstandsgebots schlicht der Referenzwert. Einen Mindestlohn kennt der Aargau nicht. Einen solchen müsste man faktisch festlegen, wenn man die Sozialhilfe nicht höher ansetzen will als die tiefsten Einkommen. Gegen einen Mindestlohn spricht aber aus Sicht des Regierungsrat zu viel, diesen Eingriff möchte er nicht vornehmen.

Schoop: Regierung macht es sich zu einfach

Zufrieden mit dieser Antwort ist Adrian Schoop nicht. «Der Regierungsrat macht es sich wieder einfach», sagt er auf Anfrage. Er spüre keinen Willen, etwas zu ändern, und sage deswegen, es gehe nicht. Dabei sei die Umsetzung durchaus möglich, ist Schoop überzeugt.

Als Gemeindeammann wisse er, dass es in der Praxis Fälle geben kann, in denen es sich mehr lohne, Sozialhilfe zu beziehen, als zu arbeiten. Er stelle sich jedoch auf keinen Fall gegen die Working Poor, die trotz Arbeit nicht über die Runden kommen und zusätzlich zum Einkommen Sozialhilfe benötigen, und schon gar nicht gegen Alleinerziehende, die wegen der Kinder keine Vollzeitstelle annehmen können.

Aber man müsse erwirken, dass alle Sozialhilfebeziehenden nach ihren Möglichkeiten einer Erwerbstätigkeit nachgehen. «Es muss sich immer lohnen, zu arbeiten. wenn auch nur Teilzeit», so Schoop. Wenn man ausserdem bedenke, dass eine vierköpfige Familie mit Grundbedarf und den weiteren Leistungen monatlich steuerfrei mehr als 5000 Franken Sozialhilfe beziehen kann, könnten die Anreize tatsächlich fehlen, zu arbeiten. «Sieht man demgegenüber, dass ein Vater im Tieflohnsegment weniger Einkommen erzielt und über die Steuern die Sozialhilfe mitfinanziert, ist das unfair, und es besteht Handlungsbedarf.»

Ob er den Grossen Rat auf seiner Seite hat, mag Schoop nicht abschätzen. Schaffe er es, klar aufzuzeigen, warum die Umsetzung möglich ist, sehe er aber eine Chance.

Ein Drittel der Bezüger arbeitet

Die Sozialhilfequote ist im Aargau seit 2018 rückläufig. 2021 bezogen im Kanton 1,9 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner Sozialhilfe, was 13'306 Personen entspricht. Davon waren rund ein Drittel Kinder. 2655 weitere bezogen Sozialhilfe und waren gleichzeitig erwerbstätig, 3733 Personen müssen wegen Säuglingen, einer Ausbildung oder der Kinderbetreuung keiner Arbeit nachgehen. Die Sozialhilfezahlen für das Jahr 2022 werden im Dezember veröffentlicht.

veröffentlicht: 23. September 2023 08:55
aktualisiert: 23. September 2023 08:55
Quelle: ArgoviaToday

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