TalkTäglich

Asylnotlage im Aargau – Jean-Pierre Gallati: «Wir können keine eigenständige Asylpolitik machen»

27.02.2024, 20:35 Uhr
· Online seit 27.02.2024, 20:09 Uhr
Der Aargauer Sozialdirektor Jean-Pierre Gallati rechnet mit weiteren Ukraine-Flüchtlingen im laufenden Jahren. Im «TalkTäglich» bei Tele M1 sprach er über den Krieg, Waffenlieferungen und die fehlenden Asylplätze im Kanton.
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Vor gut zwei Jahren hat Russland die Ukraine angegriffen. Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer flohen in die Nachbarländer, aber auch in die Schweiz und in den Aargau. Gleichzeitig kommen auch immer noch Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern oder dem Nahen Osten in den Kanton. Viele Gemeinen haben Mühe, genügend geeignete Unterkünfte zu finden. Anfang Woche wurde bekannt, dass sechs Gemeinden im Aargau nicht genügend Asylplätze finden und eine Abgabe an den Kanton zahlen müssen. Aber auch der Kanton ist bei seinen Unterkünften am Anschlag.

Wie soll die Asylnotlage gelöst werden? Sozialdirektor Jean-Pierre Gallati stellte sich am Dienstagabend im «TalkTäglich» den Fragen von AZ-Chefredaktor Fabian Hägler, der die Sendung zum ersten Mal moderierte. Er wollte gleich zu Beginn von Gallati wissen, ob er sich als ehemaliger Grenadier-Kommandant einen solchen Angriffskrieg habe vorstellen können: «Ja, eigentlich schon», sagte Gallati, ohne mit der Wimper zu zucken. «Es gehört offenbar zum menschlichen Wesen, dass solche Kriege stattfinden. Dafür müssen wir uns rüsten.»

Die Ukraine verteidigt laut Gallati nicht nur das eigene Land, sondern ganz Europa und auch die Schweiz. Er findet, dass Europa weiterhin Waffen liefern solle. Dies sei das Beste, was der Westen machen könne. Was die Schweiz betrifft, gelte nun mal eine «defensive Gesetzgebung». Er selbst befürworte indirekte Waffenlieferungen. «Aber da sollen sich die Rechtsgelehrten darüber streiten.»

Verhandlungen mit Russland hält Gallati derzeit für illusorisch. Stattdessen ist für ihn klar, dass man die Schweizer Armee nachrüsten muss. «Wir müssen sie wieder kampftauglich machen.»

Gallati hält wenig von der Forderung seiner Parteikollegin

Im Aargau leben derzeit 5348 Ukraine-Flüchtlinge, davon 761 in Kantonsunterkünften, 1266 bei Gastfamilien und 3321 in Gemeindeunterkünften. Auf die Frage von Moderator Hägler, wie viele es Ende Jahr sein werden, antwortete Gallati, er stütze sich auf Szenarien des Staatssekretariats für Migration (SEM). «Insgesamt werden ungefähr 25’000 Ukrainer und 25’000 weitere kommen, 8,1 Prozent kommen in den Kanton Aargau.»

Von der Forderung von Parteikollegin Martina Bircher, den Schutzstatus S aufzuheben, hält Gallati wenig: «Es ist einfach unrealistisch, weil das System sonst kollabieren würde.» Nur so könne der Bund die Personen rasch auf die Kantone verteilen. Gallati betonte zudem, dass man sich darüber einig sei, dass es sich bei den Ukrainerinnen und Ukrainer um «echte Flüchtlinge» handle. Klar sei: «Wenn der Krieg morgen vorbei ist, müssen alle zurück.»

Der Sozialdirektor bedankt sich bei den Gemeinden und Gastfamilien

Insgesamt leben im Aargau rund 9000 Flüchtlinge. Für die Gemeinden ist es schwierig Unterkünfte zu finden. Dass jene, denen das nicht gelingt, 90 Franken pro Tag und Person zahlen müssen, sei vom Gesetzgeber so gewollt, betonte Gallati im TalkTäglich. Auch als Sozialvorsteher könne er das nicht ändern. Dass davon nur elf Gemeinden betroffen seien, zeige ihm, dass sie gute Arbeit leisteten. Gallati bedankte sich an dieser Stelle bei den Gemeinden, «aber auch bei den Gastfamilien.»

Ausserdem dürfe man nicht vergessen, dass man sich in einer Notlage befinde. Auf Häglers Konter, er sei jene Person, die sie lösen müsse, sagte Gallati: «Wir können als Kanton keine eigenständige Asylpolitik machen. Wir vollziehen jene des Bundes.» Mit Blick auf die anstehenden Wahlen im Herbst sagte Jean-Pierre Gallati zum Schluss, dass er gerne Sozialdirektor bleiben würde, sollte er wiedergewählt werden.

(Matthias Niederberger Aargauer Zeitung)

veröffentlicht: 27. Februar 2024 20:09
aktualisiert: 27. Februar 2024 20:35
Quelle: ArgoviaToday

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