Im Juni 2022 nahm das Unglück seinen Lauf. Der aufgestellte und fröhliche Kurt Müller wird wegen Demenz von seinem Altersheim in Grosswangen in die Luzerner Psychiatrie-Klinik St. Urban verlegt. Doch anstelle von guter therapeutischer Betreuung erwartet ihn dort der pure Albtraum, sagt zumindest seine Tochter. Sie erzählt «Blick» gegenüber von den schlimmen Ereignissen, die sich in der Klinik abgespielt haben.
Wegen seiner Demenz erlitt Kurt Müller immer wieder unruhige und auffällige Momente, wodurch er von der Psychiatrie St. Urban für elf Tage in Isolation gesperrt wurde. All seine persönlichen Gegenstände wurden ihm weggenommen. Das Zimmer, in dem er die elf Tage verbrachte, hatte nichts ausser eine Matratze und einen Schaumstoff Würfel, so Angela Müller, die Tochter des 76-Jährigen. In dieser Zeit durfte der Patient mit niemandem Kontakt aufnehmen, nicht einmal mit dem Pflegepersonal. «Sie haben ihm das Essen hingestellt und sind dann wieder gegangen», erzählt Angela Müller.
Die Isolation war der Anfang vom Ende
Doch das sei nicht das Schlimmste gewesen, was sie ihm angetan haben, so die Tochter: «Sie haben meinen Vater mit Medikamenten vollgepumpt.» Tagtäglich wurden dem älteren Herrn mehrere Temesta, Dipiperon, Risperidon und Valium Tabletten verabreicht. Diese führten zur Ruhigstellung des Patienten.
Am neunten Tag der Isolation verschlechterte sich Müllers Zustand plötzlich rasant. Mit Verdacht auf einen Schlaganfall wurde er ins Spital gebracht. Als seine Tochter ihn im Spital besuchte, habe sie ihn fast nicht mehr wiedererkannt. Von ihrem fröhlichen Vater war nur noch eine leere Hülle übrig.
Doch nach ein paar Stunden stellte sich heraus, dass der Vorfall kein Schlaganfall war. Der Mix von Risperidon, Dipiperon und Temesta führte beim 76-Jährigen zu einer Verhaltensstörung, die von der Klinik erst im Spital bemerkt wurde. Gemäss dem Arzt und ehemaliger Präsident der eidgenössischen Arztneimittelkommission (EAK) Max Giger, war der Patient durch die vielen Medikamente «total sediert», erklärt er gegenüber dem «Kassensturz».
Die Klinik will sich nicht dazu äussern
Die Klinik St. Urban will sich nicht zu den Vorwürfen äussern. Wie Daniel Müller, Leiter Stabdirektion, Kommunikation und Marketing gegenüber «Blick» sagt, ist es ihnen wichtig, dass jede ihrer Behandlung ohne Zwischenfall verläuft. Man kann aber nie von einer hundertprozentigen Sicherheit ausgehen.
Dass die Klinik St. Urban ihren Vater kaputtgemacht hat, ist für die Tochter Fakt. Darum möchte sie das nicht auf sich sitzen lassen. Die Isolation und der hohe Verbrauch an Medikamenten haben ihrem Vater fünf Jahre geraubt, sagt sie. Die Folgen seien massiv. Jedes Mal, wenn sie das Wort St. Urban braucht, zuckt er in sich zusammen und fragt, ob er wieder dort hinmuss.