Windstreit

Bisher geheimes Gutachten zeigt: Windturbine nahe beim historischen Schloss Horben verletzt Denkmalschutz

· Online seit 18.05.2023, 07:18 Uhr
Auf dem Lindenberg im Oberfreiamt wollen die Energiekonzerne AEW (Aargau), CKW (Luzern) und SIG (Genf) einen Windpark errichten. Nun zeigt ein bisher geheimes Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalschutz: Das Projekt ist in der geplanten Form kaum realisierbar. Die Gegner vom Verein Pro Lindenberg wollen den Windpark ganz verhindern – notfalls mit Klagen ans Bundesgericht.
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Einst war Schloss Horben der Sommersitz der Mönche des Klosters Muri, heute ist das Gebäude, das zwischen 1700 und 1701 erstellt wurde, in Privatbesitz. Schlossherr ist heute Nicolas Borsinger, er bewohnt das herrschaftliche Haus in den Sommermonaten mit seiner Frau Marie Adèle. Sein Urgrossvater, der wohlhabende Badener Hotelier Franz Joseph Borsinger, hatte das Schloss vor mittlerweile 110 Jahren gekauft.

Seither unterhält die Familie das Gebäude und muss dabei Auflagen der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) befolgen – denn Schloss Horben ist ein Kulturgut von nationaler Bedeutung. Genau diese Kommission befasste sich aber noch aus einem anderen Grund mit dem über 300-jährigen Gebäude: Im Auftrag des Kantons erstellte die EKD ein Gutachten zur Frage, ob Windturbinen in Sichtweite des Schlosses erstellt werden dürfen.

Schlossbesitzer erhielt zuerst keinen Einblick ins Gutachten

Die beiden Windräder mit einer Höhe von 229 Metern gehören zu einem Projekt der Windpark Lindenberg AG, an der die Energiekonzerne AEW (Aargau), CKW (Luzern) und SIG (Genf) beteiligt sind. Am 23. Februar 2022 lieferte die Kommission das Gutachten dem Kanton ab, später erhielten es auch die Windpark-Planer.

Schlossbesitzer Nicolas Borsinger erfuhr erst aus einem Newsletter der Windpark Lindenberg AG im September 2022, dass es überhaupt ein solches Gutachten gibt.

Als er Einsicht verlangte, wurde ihm diese zuerst verwehrt, wie Borsinger am Mittwoch bei einer Medienkonferenz im Schloss Horben sagte. Erst das eidgenössische Innendepartement entschied, dass der Schlossbesitzer das Gutachten erhalten sollte. So konnte Borsinger die Ergebnisse zusammen mit drei Vertretern des Vereins Pro Lindenberg, der gegen den Windpark kämpft, den Medien präsentieren.

Denkmalschutz: «Auf Windenergieanlagen im Raum Horben verzichten»

Dabei zeigte sich: Die Denkmalschutz-Kommission sieht den Windpark als schwerwiegende Beeinträchtigung der Kulturgüter, wie es im Gutachten heisst. Die Kommission empfiehlt deshalb, «auf die Errichtung von Windenergieanlagen im Raum Horben zu verzichten». Ursprünglich waren dort, wo neben dem Schloss auch eine Alpwirtschaft steht, zwei Windturbinen geplant. Aufgrund des Gutachtens, und weil der Verein Alpgenossenschaft einen Standort ablehnte, wurde der geplante Windpark auf drei Anlagen reduziert (siehe Kartenvergleich unten):

Doch auch diese Variante lässt sich aus Sicht des Vereins Pro Lindenberg nicht mit dem Status von Schloss Horben vereinbaren. Vereinsmitglied und Immobilienexperte Dieter Bösch sagte, als Schutzziel für das historische Ensemble sei die ungeschmälerte Erhaltung festgelegt worden. «Der Bau des Windparks widerspricht den Schutzzielen eindeutig, das ist keine unverbindliche Empfehlung, das Gutachten basiert auf einem Bundesgesetz», hielt er fest.

Windkraftgegner künden Widerstand bis vor Bundesgericht an

Pro-Lindenberg-Präsident Heiri Knaus betonte, auch der Verzicht auf die Windturbine, die am nächsten beim Schloss geplant war, und die leichte Verschiebung der zweitnächsten Anlage, mache das Projekt nicht besser. «Auch die weiter entfernte Turbine steht im Horben-Ensemble, zudem ist der Standort zu nahe bei einem Hochmoor auf Luzerner Boden zu dem ein Abstand von 500 Metern vorgeschrieben wäre.» Knaus kündigte an, der Verein und Schlossherr Borsinger würden die Windpark-Pläne notfalls bis vor Bundesgericht anfechten.

Der Vereinspräsident sagte, aus seiner Sicht gebe es keine realisierbare Variante des Windparks Lindenberg. Daran hielt Knaus auf Nachfrage der AZ fest, obwohl es im Gutachten heisst, aus denkmalpflegerischer Sicht sei eine Verschiebung der umstrittenen Windturbine vom Horben weg weiter nach Norden prüfenswert. «Man könnte diese nur an einem Ort platzieren, wo sie zwischen zwei Grundwasserfassungen steht, das würde massiven Widerstand der Gemeinde Beinwil bedeuten», sagte Knaus.

Vereinsmitglied Urs Waltenspül stört sich daran, dass die AEW Energie AG, die im Kantonsbesitz ist, das Windparkprojekt massgeblich trägt und zugleich der Kanton über Bewilligungen entscheidet. Weiter kritisierte er, es gebe keine unabhängigen Expertisen oder Zweitmeinungen bei der Windmessung, zum Lärm der Anlagen oder zum Schattenwurf. Waltenspül vertritt die Sektion Aargau/Luzern des Verbandes Freie Landschaft Schweiz, die vor rund einem Monat gegründet wurde.

(ben)

veröffentlicht: 18. Mai 2023 07:18
aktualisiert: 18. Mai 2023 07:18
Quelle: Aargauer Zeitung / Fabian Hägler

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