Lieferengpässe

Grippe-Saison ohne Neocitran? Schweizer Apotheken gehen Medikamente aus

· Online seit 20.11.2022, 17:49 Uhr
Seit Beginn der Corona-Pandemie werden jegliche Medikamente in den Schweizer Apotheken knapp. Nun kommen noch die Lieferengpässe und der Start der Grippesaison hinzu. Wie der Aargauer Apothekerverband bestätigt, könne bereits jetzt erste Medikamente nicht mehr geliefert werden.
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«Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass es beim Artikel Neocitran Grippe/Erkältung zu unvorhergesehenen Verzögerungen gekommen ist.» So steht es in einer offiziellen Mitteilung an die Schweizer Apotheken des Neocitran-Herstellers GSK Consumer Healthcare. Darin beinhaltet sind unter anderem der Hustenstiller-Sirup, Hustenstiller-Tabletten sowie der Hustenlöser-Sirup. Einige der genannten Medikamente sind voraussichtlich frühestens Anfang Januar wieder in kleinere Produktmenge erhältlich. Wie Lukas Korner, Präsident Aargauischer Apothekerverband, auf Anfrage sagt, besteht nicht nur beim Neocitran ein sogenanntes «Stock-out».

«Man kann auf andere Medikamente ausweichen»

«Bei den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol hatten wir seit Corona-Beginn immer wieder ‹Stock-out› für einige Tage oder sogar wenige Wochen», so Korner. Grund zur Panik soll es jedoch keine geben. «Da auf andere Medikamente ausgewichen werden kann, werden wir gut durch die Grippesaison kommen.» Zudem haben Apotheken einen grösseren Vorrat an Medikamenten, so auch bei Neocitran.

Bei dem Wirkstoff Dafalgan soll es momentan noch keinen Mangel geben, wie Korner erzählt. «Solange beispielsweise ‹Algifor Dolo Junior Sirup für Kinder› nicht geliefert wird, verweisen wir die Kunden auf Dafalgan-Sirup.» Jedoch stellt sich laut dem Apotheker die Frage, wie lange dieser noch lieferbar sein wird. «Der Verkaufspreis bei Dafalgan liegt bei 2,55 Franken. Der Hersteller wird also eine kleine Marge haben, wenn überhaupt.» Wie gross der Wille des Herstellers ist, genügend Packungen an Lager zu haben, sei deshalb fragwürdig.

Aufgrund des Medikamentenmangels verweist der Apotheker darauf, dass man nicht bei jeder Erkältung oder Grippe auf eine medikamentöse Behandlung zurückgreifen muss. «Oft hilft bereits ein gesünderer Lebensstil, um sein Immunsystem zu stärken. Weiter können Tees helfen, wie beispielsweise Brust- und Husten-, Salbei- oder Ingwertee sowie Bäder und Inhalationen.» Am besten soll man sich in einer Apotheke beraten lassen.

Rund 320 Wirkstoffen fehlen

Die Bandbreite bei den fehlenden Medikamenten in der Schweiz und somit auch im Kanton Aargau sind laut Korner gross. Bei rund 320 Wirkstoffen und knapp 600 Medikamentennamen kommt es zu Lieferproblemen. Dazu gehören unter anderem Novalgin-Tropfen, Ponstan und die Kautabletten Aspirin. Hier werden alle weiteren fehlenden Medikamente aufgelistet.

«Wir werden immer wieder überrascht, bei welchen Artikeln es neue ‹Stock-outs› gibt», so Korner. Nicht immer informieren Firmen darüber, dass ihr Produkt nicht mehr geliefert werden kann. «Wir bemerken deshalb erst bei der Bestellung, dass ein Medikament fehlt.»

So war es auch bei dem Medikament «Ozempic» – ein Darmhormon, welches die Insulinausschüttung und das Hungergefühl reguliert. Das Medikament zur Behandlung von Diabetes endete aufgrund mehrerer Influencerinnen und Influencer wie Kim Kardashian oder Elon Musk als Abnehm-Wundermittel schlechthin. Auch Korner bestätigt gegenüber ArgoviaToday, dass es in den Aargauer Apotheken einen Mangel beim rezeptpflichtigen Medikament gibt. «Der Hersteller kommt mit der Produktion nicht mehr nach und es fehlt den Personen, welche es tatsächlich benötigen.»

Viele Gründe wegen Lieferengpass

Die Gründe, weshalb es zu den Mängeln bei den Medikamenten kommt, sind vielfältig. So soll neben der steigenden Nachfrage, auch der Lieferengpass aufgrund des Krieges in der Ukraine eine Rolle spielen. «Wenn auf dem Weg vom Verteiler zum Käufer nur ein Puzzleteil fehlt, dann kommt es zum Lieferengpass.» Das kann beispielsweise der Karton oder Plastik für die Verpackung sein oder ein Inhaltsstoff des Medikamentes.

Weiter erzählt Korner: «Viele Wirkstoffe werden weltweit nur in wenigen Firmen produziert. Hat eine Firma ein Problem, sind die übrigen schnell überlastet.» Hinzu kommt, dass der Bund die Preise der Medikamente senkte, wodurch die Marge für viele Hersteller zu klein und deshalb meist erst zu spät Nachschub bestellt wird.

veröffentlicht: 20. November 2022 17:49
aktualisiert: 20. November 2022 17:49
Quelle: ArgoviaToday

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