In der Schweiz gibt es erstmals mehr Menschen ohne Religionszugehörigkeit als Katholikinnen und Katholiken. Die Gruppe der Religionslosen hat mit 34 Prozent der Bevölkerung die Katholiken (32 Prozent) überholt. Das zeigen die neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik BFS.
Auch im Kanton Aargau gab es im Jahr 2022 mehr Personen ohne Religionszugehörigkeit als Katholikinnen und Katholiken. In Zahlen ausgedrückt waren 165'122 von 592'754 Personen katholisch. Das entspricht einem Anteil 28 Prozent. Personen ohne Religionszugehörigkeit (214'299) waren mit einem Anteil von 36 Prozent klar in der Mehrheit.
Keine Premiere für den Aargau
Im Aargau ist das nichts Neues. Während gesamtschweizerisch der Anteil der Personengruppe ohne Religionszugehörigkeit erst im Jahr 2022 die Mehrheit übernahm, geschah dieser Wandel im Aargau bereits im Jahr 2019.
Damals waren von 571'882 Personen 172'622 (30 Prozent) katholisch. Die Zahl der Personen ohne Religionszugehörigkeit betrug 181'446, was 32 Prozent der totalen Anzahl ausmachte.
Absehbare Entwicklung
Für die Römisch-katholische Landeskirche im Aargau kommen die neuen Zahlen deshalb nicht überraschend. «Relevant ist für uns die Entwicklung, von daher war es absehbar, dass dieser Tag kommt», kommentiert Luc Humbel, Präsident der Römisch-katholischen Landeskirche im Aargau, gegenüber Radio Argovia.
Missbrauchsfälle ausschlaggebend?
Im Herbst dieses Jahres konnten durch eine Untersuchung der Universität Zürich über 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch seit Mitte des 20. Jahrhunderts in der katholischen Kirche aufdecken. Die Erkenntnis sorgte landesweit für Schlagzeilen. Bereits damals rechnete die Kirche mit einem Mitgliederschwund. «Für diejenigen, die sich bereits vorher von der Kirche abgewendet haben, kann dieser Skandal nun bestimmt den Ausschlag geben, sich ganz abzuwenden. Das ist leider Gottes auch verständlich», teilte Luc Humbel im September 2023 gegenüber TeleM1 mit.
Diejenigen, welche seit dann aus der Römisch-katholischen Kirche ausgetreten sind, wurden in der Statistik des BFS nicht erfasst. Bei der nächsten vermutet Humbel jedoch, dass ein neuer Peak an Kirchenaustritten zu verzeichnen sein wird.
Wettbewerb mit anderen Institutionen
Gemäss Humbel kommt es oft vor, dass Personen, welche aus der Kirche austreten, nicht automatisch ihren Glauben aufgeben, sondern ihren Glauben auf eine andere Weise ausleben. «Es ist die ganze Freizeitindustrie, welche dazu führt, dass man weniger Zeit zur Verfügung hat und dadurch auch weniger Zeit aufwendet, um die Gemeinschaft in der Kirche zu erleben», so Humbel. Wenn man das nicht mehr praktiziert, steigt laut dem Präsident die Distanz zur Kirche. Wenn diese genug gross ist, sei der nächste Schritt der Austritt.