Kerzen verschwinden von Gräbern: Stecken Krähen dahinter?

Leonie* berichtet von skurrilen Diebstählen, die sie vermehrt auf den Friedhöfen in Birr und Neuenhof festgestellt hat. Sie erzählt: «Immer wieder verschwinden Kerzen und allgemein verschiedenster Grabschmuck. Anfangs dachte ich, dass jemand anderes sich an den Gräbern bediene, aber dann entdeckte ich zufällig eine der Kerzen auf der Wiese neben dem Friedhof liegen.»

Die Friedhöfe seien von vielen Vögeln umgeben. Die Kerzen hätten teils auch Spuren von spitzen Einschlägen aufgewiesen. Der Verdacht, dass hier keine menschliche Böswilligkeit im Spiel ist, läge also nahe. «Ich habe zwar noch nie einen Vogel gesehen, der eine Kerze wegtransportiert. Allerdings wurde in Neuenhof schon einmal ein kleiner Gartenzwerg von einer Krähe gestohlen. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass auch hier die Tiere im Spiel sind», so die 32-Jährige.

Friedhofsgärtnerin sah Krähe mit Kerze im Schnabel

Ein Anruf bei der Gärtnerei Winkelbach aus Hausen bestätigt Leonies Verdacht. Der Friedhof in Birr wird von den Mitarbeitenden der Gärtnerei gepflegt. Gärtnerin Verena Winkenbach kann zufälligerweise aus eigener, zeitnaher Erfahrung sprechen: «Ich habe gerade am Sonntagmorgen auf dem Friedhof eine Krähe gesehen, die eine Kerze im Schnabel getragen hat. Und vor drei Wochen sind mir die verstreuten roten Kerzen auch aufgefallen.»

Krähen sind wie kleine Kinder

Krähen seien intelligente und verspielte Vögel, erklärt Martina Schybli von der Schweizerischen Vogelwarte. Sie schliesst nicht aus, dass sich Rabenkrähen hinter den Diebstählen befinden. «Krähen beobachten ihre Umgebung genau. Wenn ein Mensch an einer Grabstätte beschäftigt ist, ist das für eine Krähe unter Umständen interessant, da sie bei den deponierten Gegenständen Fressbares vermutet oder diese zumindest untersuchen möchte.» Dass die Vögel an Kerzen picken, hört Schybli nicht zum ersten Mal. Warum das Wachs für die Krähen von Interesse zu sein scheint, kann auch die Expertin nicht abschliessend beantworten. Denkbar sei zum Beispiel, dass sie an im Wachs eingeschlossene Insekten kommen möchten. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch Füchse oder Marder Gefallen an den Gegenständen gefunden haben könnten.

Gemäss der Friedhofsgärtnerin ist der Sachverhalt jedoch eindeutig. Vogelexpertin Schybli weist neben der Freude am spielenden Erkunden auch auf eine Eigenart der Krähen hin: «Da sie ein breites Nahrungsspektrum haben und oft energiereiche Nahrung nutzen, haben die ‹gwundrigen› Allesfresser viel Freizeit für Ausflüge.» Manchmal sei das Verhalten der Krähen ein wenig mit dem von Kleinkindern zu vergleichen; sie erkunden die Welt, probieren gerne aus und hinterlassen manchmal auch ein Durcheinander.