Lenzburg

Leute angegriffen und im Zug masturbiert: Gericht bestraft 30-Jährigen

· Online seit 20.08.2022, 14:42 Uhr
Wegen ganzer neun Anklagepunkte von Körperverletzung bis hin zu Hausfriedensbruch hatte sich ein 30-Jähriger vor dem Lenzburger Bezirksgericht zu verantworten. Durch seine wegen Schizophrenie stark verminderte Schuldfähigkeit wird er weniger hart bestraft als von der Staatsanwaltschaft gefordert.
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«Man stelle sich vor, man läuft am helllichten Tag durch die Lenzburger Bahnhofsunterführung. Dann wird man aus dem Nichts körperlich angegriffen, und zwar so heftig, dass man vom Schmerz zu Boden sinkt, das Brillenglas kaputtgeht und man ins Spital muss.» So eröffnete die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer; vor dem Bezirksgericht Lenzburg stand der mehrfach vorbestrafte 30-jährige Marc (Name geändert). Angeklagt war er im beschriebenen Fall wegen versuchtem Raub und versuchter schwerer Körperverletzung. Dazu kamen sieben weitere Anklagepunkte.

Schlag ins Gesicht und Rucksack gestohlen

Vom Vorfall trug das Opfer, ein älterer Mann, eine bleibende leichte Verschiebung der Nase davon. Laut Anklageschrift wollte Marc ihm den Rucksack stehlen und schlug ihn ins Gesicht, als das nicht gelang. Marc sagte vor Gericht dazu: «Ich wollte das nicht so. Ich weiss nicht, wie es zum Angriff kam, ich wollte nur den Rucksack wegziehen und ihn provozieren.»

Marc, bei dem schwere Schizophrenie diagnostiziert wurde, ist seit Januar im vorzeitigen Strafvollzug. Seine Verteidigerin sah im Vorfall versuchten Diebstahl statt versuchten Raub und versuchte einfache, nicht schwere Körperverletzung: «Beim Schlag ins Gesicht hatte Marc den Rucksack schon losgelassen, weshalb von einem versuchten Entreissdiebstahl auszugehen ist. Es fehlt für einen Raub auch eine Nötigungshandlung, da Marc durch die Überraschung des Opfers auf keinen Widerstand stiess, den er hätte brechen müssen», plädierte sie. Und zur Schwere der Körperverletzung: Das Opfer habe sich zu keinem Zeitpunkt in Lebensgefahr befunden und habe Marc noch «Geht’s eigentlich noch?!» nachschreien können.

Das jüngste Mädchen war erst 14 Jahre alt

In einem anderen Fall – nur rund 20 Minuten vor diesem Vorfall – hatte Marc der Anklageschrift zufolge eine Frau um Geld gebeten und ihr, als sie ihm zwei Franken gab, ob des ihm zu kleinen Betrags wütend in die Tasche gefasst, um an mehr Geld zu kommen (versuchter Diebstahl). Zwei Tage zuvor hatte Marc einer anderen Frau in der Aarauer Bahnhofsunterführung ins Gesicht geschlagen, worauf diese einige Tage nicht arbeiten konnte und ihre Brille reparieren lassen musste (einfache Körperverletzung).

Zwei weitere Anklagen (sexuelle Handlungen mit Kindern, Exhibitionismus) involvierten Minderjährige: Marc habe im Zug in Sichtweite einer Gruppe Frauen und Mädchen – das jüngste war gerade einmal 14 Jahre alt – masturbiert. «Es war nicht meine Absicht, dass sie mich sehen», sagte Marc dazu.

Verteidigung fordert generellen Freispruch

Zudem habe er trotz Hausverbot in einer Bank übernachtet, habe Heroin, Amphetamin und Cannabis konsumiert und in einem Zug trotz Rauchverbot geraucht. Die Verteidigerin forderte einen generellen Freispruch: Marcs Schuldfähigkeit sei durch seine Diagnose vollständig aufgehoben, er sei deshalb nur in eine stationäre Therapieeinrichtung einzuweisen.

Gerichtspräsident Daniel Aeschbach sprach Marc am Ende frei von versuchter schwerer Körperverletzung und versuchtem Diebstahl (Bahnhof Lenzburg) und sexueller Handlungen mit Kindern. In den anderen Punkten ist Marc schuldig. Er wird mit sieben Monaten Gefängnis unbedingt, einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen à 10 Franken (450 Franken) und 300 Franken Busse bestraft. «Von einem Tätigkeitsverbot wird, wegen des leichten Falls von Exhibitionismus, abgesehen», so Aeschbach. Es wird eine stationäre Massnahme angeordnet. Von den Verfahrens- und Anklagekosten muss Marc 90 Prozent übernehmen (10’200 Franken). Die Gerichtskasse bezahlt seine Verteidigerin (18’500 Franken); sobald möglich, muss er auch davon 90 Prozent zurückzahlen.

(Valérie Jost, Aargauer Zeitung)

veröffentlicht: 20. August 2022 14:42
aktualisiert: 20. August 2022 14:42
Quelle: Aargauer Zeitung

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