Nachwuchsproblem?

Pflichtanlass «Feuerwehr» und niemand erscheint

18.10.2021, 13:22 Uhr
· Online seit 17.10.2021, 06:04 Uhr
Alle Gemeindemitglieder zwischen 20 und 44 Jahren sind grundsätzlich feuerwehrpflichtig – so auch unsere Volontärin Noëmi Laux. Sie hatte so gar keine Lust, die obligatorische Veranstaltung in Laufenburg zu besuchen. Wir haben sie trotzdem hingeschickt – ein Erfahrungsbericht.
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Wie alle Einwohnerinnen und Einwohner meiner Gemeinde, die älter als 20 sind, bin auch ich grundsätzlich feuerwehrpflichtig. Um «über die Tätigkeiten und Pflichten der Feuerwehr» aufgeklärt zu werden, erhielt ich – genau wie rund 150 andere Feuerwehrpflichtige der Gemeinde Laufenburg – Anfang September die Einladung zur jährlich stattfindenden, obligatorischen «Informations- und Rekrutierungsveranstaltung». Ich hatte in meinem bisherigen Leben kaum bis gar keine Berührungspunkte mit der Feuerwehr und hatte das auch nicht vor. Dort wird doch eh nur gesoffen und Frauen, die sind auch unerwünscht, dachte ich. Meine Meinung sollte sich an diesem Abend noch ändern.

Von den 150 Geladenen tauchten rund 30 Nasen am vergangenen Mittwochabend in der Stadthalle Laufenburg auf. «Wir haben ein Nachwuchsproblem», erzählt mir Feuerwehrkommandant Dominik Vogel vor der Veranstaltung. Woran das liegt, kann er nur ahnen. «Vielen fehlt der Bezug zur Feuerwehr, denke ich. Ausserdem ist das Freizeitangebot für junge Leute heute grösser und vielfältiger als früher.» Aber: Es komme auch sehr auf das Jahr an; in manchen sei die Nachfrage, der Feuerwehr beizutreten, grösser als in anderen. «In den letzten zwei Jahren haben wir das Nachwuchsproblem aber schon gespürt.» Wie man denn, abgesehen von dieser Veranstaltung, junge Leute ansprechen würde, möchte ich wissen. Vogel überlegt einen Moment. «Naja, viel läuft über Mund-zu-Mund-Propaganda.» Zusätzliche Flyer, Plakate oder Werbung auf sozialen Medien aber gibt es keine.

Zwei junge Männer, beide in Jogginghose, schlendern sichtlich gelangweilt in die Stadthalle und setzen sich in eine der hinteren Reihen. Warum sie hier sind, möchte ich wissen: «Weil wir müssen», sagt der 20-jährige Jakob. Der Feuerwehr beitreten würde er bestimmt nicht. Zu grosse Verpflichtung, zu unattraktiv, zu wenig Zeit. Sein Kollege Antonio Fiore widerspricht: «Ich schau mir das jetzt mal an. Wenn das anständig bezahlt wird, würd ich's mir schon überlegen.» Auch Blenda Hoti, 24, ist hier «zum Schauen», der Feuerwehr beitreten ist auch für sie kein Thema: «Ich würde niemals eine solche Uniform anziehen, die ist total hässlich», sagt sie und lacht. Ausserdem arbeite sie in der Pflege, wo sie ohnehin schon jeden Tag für andere Menschen da sei.

Atemschutz, Maschinisten, Verkehr, Sanität, Elektriker, Fahrer: Vielseitiger als gedacht

Die Veranstaltung beginnt. Kommandant Vogel rattert ein paar Traktanden runter, spricht über die Organisation, das Leitbild. Und dann wird es spannend. Der jeweilige Leiter stellt sein Einsatzgebiet vor: Atemschutz, Maschinisten, Verkehr, Sanität, Elektriker, Fahrer. Ich wusste nicht, dass die Feuerwehr so vielseitig ist.

Nach dem Theorieteil folgen Einzelgespräche mit allen Anwesenden, die anderen können draussen ein Atemschutzgerät ausprobieren, den Feuerwehrleuten Fragen stellen oder ein Fahrzeug genauer anschauen. Ich spreche eine Frau an, die im Eingang auf ihr Einzelgespräch wartet. Feuerwehr – wär das was für sie? «Ja, total. Die Sanität klingt spannend. Da kann man Menschen direkt helfen und lernt gleichzeitig was fürs Leben.» Die 21-jährige Noemi Luther ist letztes Jahr aus ihrer Heimat Berlin nach Laufenburg gezogen und sieht in der Feuerwehr eine gute Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen. Noemi hat sich für ein nächstes Gespräch angemeldet, ist also grundsätzlich interessiert, der Feuerwehr beizutreten. Als Frau gehört sie damit zu einer Minderheit.

Eine der wenigen Frauen bei der Feuerwehr Laufenburg ist Manuela Hinden. Sie leitet die Abteilung Sanität. Als Hinden vor 18 Jahren rekrutiert wurde, war sie eine der ersten Frauen,  aber: «Die Feuerwehr hat sich in den letzten Jahren massiv gewandelt und die Frauen werden an den Rekrutierungsveranstaltungen ermutigt, sich auch Mal für den Atemschutz einteilen zu lassen.» Warum Frauen bei der Feuerwehr trotzdem deutlich unterrepräsentiert sind – in Laufenburg sind von 74 Feuerwehrleuten nur zwölf Frauen – sei schwer zu sagen. «Vielleicht müsste man mehr Aufklärungsarbeit leisten, damit die Feuerwehr nicht mehr als alleinige Männerdomäne wahrgenommen wird. Aber soweit ich das sehe, wird hier in den Feuerwehren bereits viel in diese Richtung gearbeitet.»

Ich hab's mir schlimmer vorgestellt

Ich wohne nicht mehr in Laufenburg, habe meinen Erstwohnsitz aber noch bei meinen Eltern. Für die Feuerwehr Laufenburg komme ich deswegen nicht in Frage. Ob ich mich tatsächlich hätte rekrutieren lassen, weiss ich nicht. Aber eins ist klar: Meine erste Begegnung mit der Feuerwehr habe ich mir schlimmer vorgestellt.

Gerade als ich mich auf den Heimweg mache, kommen mir die zwei Jungs in Jogginghose vom Anfang entgegen. «Das gibt ja doch Cash», sagt Antonio und grinst. Er hat sich für ein weiteres Gespräch gemeldet. Seinen Kollegen Jakob konnten aber weder die Aufwandsentschädigung von 45 Franken pro Einsatz noch das vielfältige Angebot überzeugen. Er bleibt dabei, lieber ein bisschen mehr Steuern zu zahlen, statt zur Feuerwehr zu gehen.

veröffentlicht: 17. Oktober 2021 06:04
aktualisiert: 18. Oktober 2021 13:22
Quelle: ArgoviaToday

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