Abstimmungen

Pilotprojekt für höhere Stimmbeteiligung im Aargau gescheitert

· Online seit 29.02.2024, 07:34 Uhr
Vor einem Jahr hat der Kanton Aargau mit der Universität Zürich und dem Zentrum für Demokratie Aarau das Pilotprojekt Demoscan lanciert. Ausgeloste Personen sollten komplexe Vorlagen mit einem Bürgerbrief für Stimmende verständlich machen. Trotzdem sind nicht mehr Leute an die Urne gegangen.
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Die Hoffnung sei, an mehr Menschen heranzukommen, ihnen eine Vorlage verständlich zu machen und letztlich die Stimmbeteiligung zu erhöhen. So tönte es, als vor einem Jahr an einem Podiumsgespräch in Aarau das Pilotprojekt Demoscan vorgestellt wurde.  

Im Rahmen des im Kanton durchgeführten Projekts wurden 22 Aargauerinnen und Aargauer im Grossratssaal ausgelost. Ein Computer hatte die Aufgabe, das Gremium so auszulosen, damit es die Bevölkerung – auch nach politischer Ausrichtung – möglichst gut repräsentiert. Das Projekt wurde vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich und vom Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) wissenschaftlich begleitet.

Die ausgelosten Personen hatten sich an zwei Wochenenden intensiv mit der kantonalen Abstimmungsvorlage vom 18. Juni – der Klimaschutz-Initiative – auseinandergesetzt. Dies mit dem Ziel, «niederschwellige und qualitativ hochstehende Abstimmungsunterlagen» zu erarbeiten. Die Vorlage sollte verständlich und knapp vorgestellt und die wichtigsten drei Pro- und Kontra-Argumente herausgeschält werden. Anschliessend wurde der Bürgerbrief allen Stimmberechtigten der am Pilotprojekt mitmachenden Gemeinden Aarau und Safenwil zugestellt.

Nun liegt der Schlussbericht des Projekts vor. Er zeigt: Die Stimmbeteiligung hat sich nicht erhöht.

Besser informiert, aber keine höhere Stimmbeteiligung

Die Resultate der Bevölkerungsbefragung zeigten, dass der Demoscan-Flyer insgesamt eher wenig Aufmerksamkeit erhalten habe, schreibt das ZDA in einem Communiqué. Nur 37 Prozent der Befragten in Aarau und Safenwil gaben an, den Demoscan-Flyer gesehen zu haben. Es gebe keine Hinweise dafür, dass das Projekt in den beiden Gemeinden zu einer Erhöhung der Stimmbeteiligung beigetragen hätte.

Wer sich über den Bürgerbrief informiert hatte, habe jedoch profitiert, halten die Wissenschafter fest: «Wenn eine Gruppe ausgeloster Personen für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger Informationen zu einer Abstimmungsvorlage aufbereitet, verstehen diese die Vorlage nachweislich besser.» Zudem informierten sie sich unabhängiger und profitierten so von der Denkarbeit der zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger.

Auf den Abstimmungsentscheid selbst hatte der Flyer gemäss den Projektleitern keinen Einfluss: «Bei den Befragten war die Lektüre des Flyers nicht ausschlaggebend für ein ‹Ja› oder ein ‹Nein› zur kantonalen Klimaschutzinitiative.»

Mögliche Einflussnahme auf die Meinungsbildung?

Das Demoscan-Projekt stiess bei einigen Politikerinnen und Politikern auf Misstrauen. Mehrere Grossräte der SVP und EDU stellten der Regierung in einem Vorstoss kritische Fragen zum neu eingesetzten Bürgerrat. Unter anderem wollten sie wissen, wie der Regierungsrat eine mögliche Einflussnahme «durch die von einem nicht demokratisch legitimierten Gremium erarbeiteten unabhängigen Abstimmungshilfe» auf den Meinungsbildungsprozess einschätzt.

Ziel des Projekts sei es, eine alternative Informationsquelle zusätzlich zu den kantonalen Abstimmungserläuterungen zu bieten, schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort. «Aufgrund der paritätischen Erläuterung von Pro- und Kontra-Argumenten im Demoscan-Flyer ist davon auszugehen, dass die Arbeit des Bürgerrats zu keiner Verzerrung des Abstimmungsverhaltens geführt hat.»

Ausserdem wollten die Grossräte wissen, welche Rolle Swisslos bei dem Pilotprojekt spielte. Zwar wurde das Projekt laut Regierungsrat zum Teil aus dem Fonds des Kantons Aargau finanziert, allerdings nehme Swisslos keine Rolle im Projekt selbst ein.

Eine Weiterführung des Projekts sei nicht geplant. Was bleibt, ist die Frage, wie Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für den Urnengang motiviert werden können. Am kommenden Sonntag stimmt die Schweiz über die beiden AHV-Initiativen ab. Erwartet wird eine hohe Stimmbeteiligung.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die diese Prognose relativieren, denn: Gerade ältere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger seien verunsichert, was sie stimmen sollen, was zu einer Demobilisierung führe. Man darf gespannt sein.

(Aargauer Zeitung/Matthias Niederberger)

veröffentlicht: 29. Februar 2024 07:34
aktualisiert: 29. Februar 2024 07:34
Quelle: ArgoviaToday

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