«Überall duftet es nach Zimt und Apfel» – so feiert die Region Thanksgiving
Warum schreibt ArgoviaToday über ein amerikanisches Brauchtum, magst du dich fragen. Nun ja, das christliche Erntedankfest haben wir irgendwie alle verpasst. Oder was hast du am 2. Oktober gemacht? Ausserdem scheinen sich alle auf den Black Friday und den Cyber Monday zu freuen, den Singles Day hat man schon gefeiert. Da darf man sich doch schon mal fragen, was ist denn dieses «Thanksgiving» und wie – wenn überhaupt – feiert man es in der Region?
«An Thanksgiving kommen alle zusammen»
«Wir dekorieren weihnachtlich in Rot und Gold, der Weihnachtsbaum steht dann schon und überall duftet es nach Zimt und Apfel», schwärmt Alicia aus Rothrist im Interview mit ArgoviaToday. Sie und ihre Familie feiern seit mittlerweile zehn Jahren Thanksgiving. Inspiriert wurden sie durch amerikanische Freunde, doch die Tradition wird in Alicias Familie nun vor allem aus einem Grunde zelebriert: «Die ganze Familie kommt zusammen. Es geht um die Dankbarkeit, das Erntedankfest eben. An Weihnachten sind ja dann oft alle beschäftigt oder müssen noch an dieses oder jenes Fest. An Thanksgiving kommen alle zusammen und geniessen den Abend und das Essen.» Und das Essen kann sich sehen lassen, wie du in der Galerie siehst. Dabei ist die Arbeitsteilung fair: Alicias Mami kümmert sich um den 7-Kilogramm-Truthahn, der sieben Stunden im Ofen garen muss. Eine ihrer vier Schwestern ist für das Dessert zuständig. Traditionellerweise gibt es Apfel- und Kürbiskuchen. Alicia selber liefert die Beilagen: Kartoffelstock, Erbsen und Rüebli und Rotkraut mit Marroni. Und das, obwohl sie Letzteres selber gar nicht mag. Aber zu wenig zu essen gibt es an Thanksgiving bei Alicias Familie definitiv nicht. Und wie einfach fällt das Arbeiten mit vollgeschlagenen Bäuchen am Freitag danach? Alicia ist vor kurzem Mutter geworden und deshalb ist das aktuell gar kein Thema. Aber auch in der Vergangenheit hat sich die Familie ein verlängertes Wochenende gegönnt und den «Black Friday» frei gemacht. «Alle Chefs haben darauf immer toll reagiert. Sie waren interessiert und wollten Bilder sehen. Aber Probleme, den Freitag nach Thanksgiving freizukriegen, gab es nie», sagt Alicia.
Ähnlich geht es auch Damaris aus Möhlin. Sie hat vier Jahre lang in Atlanta in den USA gelebt und die Thanksgiving-Tradition dort lieben gelernt. «Es ist der zweithöchste Feiertag in den Staaten und wird natürlich extrem zelebriert. Es ist vor allem ein Zeichen der Dankbarkeit gegenüber der Familie und seinen Freunden», sagt Damaris im Interview. Seit gut sechs Jahren leben sie und ihre Familie wieder im Aargau. Ganz so ausgiebig wie in den Staaten feiert sie hier in der Schweiz nicht mehr. So gibt es zum Beispiel «nur» Hähnchen aus dem Ofen und keinen ganzen Truthahn. «Ich versuche dafür, alles, was auf den Tisch kommt, selber zu machen. Es gibt zum Beispiel hausgemachte Spätzli. Mir ist es lieber, etwas von der Tradition abzuweichen, aber dafür wird alles gegessen, was auf den Tisch kommt», erklärt Damaris. So mag zum Beispiel niemand in ihrer Familie den traditionellen «Pumpkin Pie». «Ich mache dafür Apfelkuchen, typisch amerikanisch mit dem Teigraster als Deckel», schwärmt sie. Der Gedanke von Thanksgiving sei, dass alle etwas zum Essen beisteuern – und definitiv nicht, dass Esswaren weggeschmissen würden. «In den USA gibt es ja noch Tage später ein «Resteessen». Es ist ausserdem einfach toll, dass jeder etwas nach seinem Rezept mitbringt.»
Mindestens genauso wichtig wie das Festmahl ist die passende Dekoration. Thanksgiving gibt Damaris den Startschuss zum weihnachtlichen Dekorieren. Und darauf freuen sich vor allem auch ihre Kinder, die schon die ganze Woche ganz «hibbelig» seien. Abschliessend bleibt die Frage, ob denn alle Verständnis haben fürs Feiern der nicht-europäischen Tradition? «Klar gibt es manche, die es nicht verstehen», erläutert Damaris. «Aber grundsätzlich finden es alle toll, dass wir der Tradition treu bleiben. Ich bin ja auch nicht verbissen, heute arbeite ich ja auch. Aber ich finde es schön, wie die Amerikaner am heutigen Tag den Herbst gehen lassen und mit all ihren Liebsten dankbar sind für das, was sie haben.»
Thanksgiving kurz erklärt
Thanksgiving, zu deutsch «Danksagung», ist ein staatlicher Feiertag in den USA und datiert zurück auf die Pilgerväter. Die erste bekannte Feierlichkeit gab es wohl schon unter Francisco Vásquez de Coronado im Gebiet des heutigen Texas, der im Mai 1541 mit dem Stamm der Caddo die Entdeckung von Nahrungsmitteln durch die Expedition der Spanier feierte. 1621 begingen die Pilgerväter in Massachusetts ein dreitägiges Erntedankfest zusammen mit dem Stamm der Wampanoag. Ohne deren Hilfe hätten die ausgewanderten Europäer den Winter nicht überlebt. Dieses Fest gilt gemeinhin als Start der heutigen Thanksgiving-Festlichkeiten. Heutzutage wird das Erntedankfest immer am vierten Donnerstag des Novembers gefeiert. Im Grunde kommt die ganze Familie zusammen und man schlägt sich die Bäuche mit Gerichten voll, die schon 1621 gegessen worden sein sollen: Gefüllter Truthahn, diverse Beilagen und ein reichhaltiges Dessert-Buffet. Dazu gehören zum Beispiel «Yams» (mit Marshmallow überbackene Süsskartoffeln), Apfel- oder Kürbiskuchen und für den gesunden Aspekt gibt's grüne Erbsen und Mais.
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