Zeit ist relativ. Das hat Albert Einstein bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erkannt. Mal scheint sie wie im Fluge zu vergehen, mal zieht sie sich wie ein Kaugummi. Das Physik-Genie erläuterte mit folgendem Beispiel: «Wenn man mit dem Mädchen, das man liebt, zwei Stunden zusammensitzt, denkt man, es ist nur eine Minute. Wenn man aber nur eine Minute auf einem heissen Ofen sitzt, denkt man, es sind zwei Stunden.»
Achtsam vergeht der Tag schnell
Egal ob mit der geliebten Person oder auf dem heissen Ofen: Zwei Stunden sind immer genau gleich lang. Warum verstreicht die Zeit mit dem Schatz aber gefühlt deutlich schneller?
«Das hat mit der Achtsamkeit zu tun – mit allen Sinnen im Hier zu sein. Das heisst, ich bin stark involviert und dann vergeht die Zeit sehr schnell», erklärt Zeitforscher Ivo Muri. «Wenn ich mit fünf oder zehn Gedanken aber schon an einem anderen Ort bin, dann scheint die Zeit sehr langsam zu vergehen.» Als Beispiel bringt er die Kirchenbesuche in seiner Kindheit: «Du sitzt in dieser Kirche. Als kleines Kind geht man voll mit den Handlungen mit, da vergeht der Gottesdienst rasend schnell. Wenn es aber ein Müssen wird mit 16 oder 17 Jahren, dann dauert er ewig, weil man im Kopf schon irgendwo anders sein wollte.»
Vergeht die Zeit im Alter schneller?
«Ja und nein», antwortet der Zeitforscher. «Ein Kind ist immer involviert in das, was es macht», sagt der Zeitforscher. «Wenn ein Kind spielt, ist es komplett eingetaucht, da existiert gar keine Zeit. Es hat auch noch keine Gedanken, die es ablenken.» Die Zeit vergeht für das Kind also gefühlt schneller. Genau dasselbe passiere aber auch den Erwachsenen, wenn sie Auto fahren. «Ich fahre zu Hause los und plötzlich komme ich irgendwo an. Ich war in Gedanken versunken und die Stunde ist wie verflogen. Durch das Erlernen des Denkens beginnt man, Handlungen abzuspeichern und die sind dann wie automatisiert.» Ein anderes Beispiel ist das Treppensteigen. Wir wissen, wo das Geländer ist oder wo die Türe ist. «Da bin ich gedanklich irgendwo und plötzlich bin ich unten in der Tiefgarage und fahre los.» Dennoch gibt es zwischen Kindern und Erwachsenen Unterschiede. Wenn ein Kind laufen lernt, ist das noch nicht automatisiert, die Gedanken darüber lenken es jedoch ab. «Es ist nicht das Gleiche, in beiden Fällen – Erwachsenen- und Kindesalter – vergeht die Zeit aber rasend schnell», so Ivo Muri.