Marianne Binder-Keller

«Wir kommen doch nicht zum Trötzeln nach Bern»

13.04.2023, 10:02 Uhr
· Online seit 13.04.2023, 09:55 Uhr
Das Verhalten des Nationalrats beim Milliardenkredit bringt die Aargauer Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller in Rage. Staatstragend reagiert hätten nur Mitte, FDP und GLP, sagt sie. Die Linke und Rechte hätten ein Kasperlitheater geboten.

Quelle: CH Media Video Unit

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Zwei Tage lang diskutierte das Parlament über den Milliardenkredit für die CS-Rettung. Eine Allianz von SVP, SP und Grüne gab dem Kredit nach einem Kompromissvorschlag des Ständerats den Todesstoss (siehe Video oben). Nachdem der Entscheid am Mittwochnachmittag im Nationalrat gefallen war, wirkte die Aargauer Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller sichtlich aufgebracht. Hastig lief sie durch die Wandelhalle, das Handy am Ohr. «Die spinnen doch», platzte es aus ihr heraus. Im Interview mit der Today-Zentralredaktion bestätigt Binder-Keller, dass ihr nicht nur das Nein, sondern auch das Verhalten vieler Nationalrätinnen und -räte gegen den Strich ging.

Frau Binder-Keller, was bringt Sie nach der Debatte derart aus der Fassung?
Das Nein des Nationalrats zu den CS-Garantien des Bundesrates ist verantwortungslos. Es ist in Ordnung, wenn man seine Bedenken und Kritik in der Debatte deponiert. Das haben alle getan, auch wir. Aber, was die Linken und die Rechten boten, war Kasperlitheater. Staatstragend reagiert haben die Mitte, die FDP und die GLP. Die drei Fraktionen, die dem Deal des Bundesrates letztlich den Segen gaben. Der Deal hat den Bankrott verhindert. Alle hätten alles verloren.

Welches Kasperlitheater meinen Sie?
Viele taten so, als hätten sie die Frustration über das schlechte Management der CS erfunden und abonniert. Frustriert sind alle und die Debatte musste sein, die Lösungsansätze lagen ja auch auf dem Tisch, der Ständerat machte es vor. Aber im Nationalrat verkam es halt schon zum Klamauk, wenn man dann noch Nein sagt zu allen Kompromissen. Dies nach dem Motto: «Warum nicht? Darum nicht!» Wir kommen doch nicht zum Trötzeln nach Bern. 

Nationalrätinnen und Nationalräte, die den Deal abgeschmettert haben, sprechen von einem Zeichen gegen ein «Weiter wie bisher» bei den Banken.
Dann haben sie die Zeichen falsch verstanden. Hier ging es um eine dramatische Rettungsaktion einer Schweizer Bank und das Zeichen, das man aussendet, an die Bankenmitarbeiter, die Aktionäre, die Kontoinhaberinnen und an die Märkte.

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Vor drei Wochen hat der Bundesrat Vertrauen in den Bankenplatz Schweiz geschaffen und heute ging es darum, dass das Parlament dieses Vertrauen stützt. Was wäre denn die Alternative gewesen? Was würden denn die gleichen Leute heute erzählen, wenn der Bundesrat die CS hätte Konkurs gehen lassen? Ich sage nicht, dass man Fehler nicht aufarbeiten muss, aber der Nationalrat hätte den Kompromissvorschlag annehmen müssen. Die wohlüberlegten politischen Prozesse unseres Konkordanzsystems machen die Schweizer Politik vertrauenswürdig und stabil.

Das würde bedeuten, dass der Nationalrat den Deal einfach hätte abnicken müssen?
Eine Wahl hatten wir eigentlich nicht, aber wir hatten ja eine Debatte zu diesem Deal und es werden noch viele weitere folgen samt Vorschlägen zur Verbesserung des Systems. Aber einfach als Trotz dagegen sein! Wenn zwei Parteien gegen ihre eigene Mehrheit im Bundesrat stimmen, desavouieren sie die Konkordanz und ihre eigenen Regierungsmitglieder. Sowohl die SP als auch die SVP haben je zwei Personen im Bundesrat. Man kann in einem Konkordanzsystem nicht Regierung und Opposition gleichzeitig sein. Mit dem jetzigen Vorgehen machen wir keine gute Falle. Und wie gesagt, der Nationalrat liess etwas Wichtiges ausser Acht. 

Was meinen Sie?
Dass wir heute eine ganz andere Krise hätten. Als die CS-Aktien am besagten Sonntag ins Bodenlose sackten, reagierte der Bundesrat. Mit dem Milliardenkredit und der Übernahme der CS durch die UBS konnte der Bundesrat die Märkte beruhigen, die Wirtschaft und die Menschen. Nur deshalb konnten wir alle am Montag bei der CS wie gewohnt unsere Nötli abheben. Da frage ich mich schon: Hätten die Linke und die Rechte im Nationalrat die CS einfach Konkurs gehen lassen wollen? Ich denke kaum.

veröffentlicht: 13. April 2023 09:55
aktualisiert: 13. April 2023 10:02
Quelle: Today-Zentralredaktion

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