Für neues Amt

Beeinträchtigter Neo-Nationalrat Islam Alijaj sucht dringend Sprechhilfe

· Online seit 25.10.2023, 05:31 Uhr
Der Zürcher SP-Gemeinderat Islam Alijaj hat den Sprung in den Nationalrat geschafft. Wegen seiner Sprechbehinderung wird das Amt für ihn zur besonderen Herausforderung. Er braucht Hilfe beim Reden und Schreiben.
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Das vielleicht wichtigste Werkzeug einer Politikerin oder eines Politikers fehlt Islam Alijaj. So klar seine Gedanken und Sätze auch sind – ohne Umstände wird der frisch gewählte Zürcher SP-Nationalrat in der Grossen Kammer nie debattieren können. Alijaj sitzt wegen einer Körperbehinderung nicht nur im Rollstuhl. Auch wurde er mit einer Sprechbehinderung geboren.

«Durch die Cerebralparese kann ich meine Muskeln nicht richtig kontrollieren – das betrifft auch das Sprechen», erklärt der 37-Jährige gegenüber ZüriToday. Wie gut er sprechen könne, hänge übrigens von der Tagesform ab. «Manchmal geht es auch flüssiger, aber ich kann mich im Alltag nicht darauf verlassen und beispielsweise nicht einfach telefonisch eine Pizza bestellen.»

In seinem bisherigen Amt als Zürcher Gemeinderat unterstützte ihn eine Verbalassistentin. Diese wiederholte sein Gesagtes jeweils. «Sie könnte meine Voten auch direkt vortragen, aber mir ist wichtig, mich selbst auszudrücken.» In seinem vertrauten Umfeld klappt dies ohne Assistenz. «Mein Umfeld und viele, die mich länger kennen, brauchen die Sprechassistenz nicht, um mich zu verstehen.»

«Mein Finger ist leider nur halbwegs funktionstüchtig»

Anfang Dezember startet die Wintersession im Parlament. Um seine Arbeit dort aufnehmen zu können, sucht der Zürcher aktuell dringend Assistenzpersonal. «Ich suche insgesamt drei Personen», sagt er. Ausgeschrieben hat er zwei 60-Prozent-Stellen für politische Assistenz und eine 40-Prozent-Stelle für administrative Assistenz.

Die politische Assistenz wird nicht nur Alijajs Stimme bei seinen Voten und Diskussionen im Nationalrat sein. Auch übernimmt sie Telefonate mit Parlamentskolleginnen und -kollegen, wichtigen Stakeholdern und Medienschaffenden.

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Es gehe nicht nur um das Übersetzen, sondern auch um Unterstützung in anderen Bereichen, vor allem beim Schreiben, sagt Alijaj. «Ich habe leider nur einen halbwegs funktionstüchtigen Finger zum Tippen.» Deshalb gehört laut Inserat zu den Aufgaben auch, zusammen mit ihm E-Mails, Vorstösse, Berichte und Artikel zu schreiben. Zudem soll die Assistenz laut den Inseraten bei Bedarf auch bereit sein, Aufgaben zu übernehmen, die Alijaj aufgrund seiner körperlichen Behinderung nicht oder nur schwer ausüben kann.

«Ich rede vielleicht nicht so gerne lange»

Eine bestimmte Ausbildung verlangt der frisch gewählte Nationalrat für die Jobs nicht. «Ich glaube, die grösste Herausforderung für meine Assistentinnen ist es, mich auszuhalten», sagt er. «Ich habe mir sagen lassen, dass ich sehr fordernd sein kann. Und ja: Der Alltag mit einem schwerbehinderten Menschen ist für viele sicher auch manchmal anstrengend.»

Noch unklar ist der Lohn für die Jobs. Derzeit wäre ein Stundenlohn von 26 Franken IV bedingt möglich, sagt Alijaj. «Ich bin aber mit den Behörden im Gespräch für einen angemessenen Lohn.»

Politikerinnen und Politikern hängt manchmal der Ruf nach, mehr zu schwatzen als zu handeln. In diesem Fall könnte Islam Alijajs Sprechbehinderung sogar eine Chance sein. Abgesehen von seiner Unterstützung beim Sprechen und Schreiben, werde man keinen Unterschied zu seinen Kolleginnen und Kollegen erkennen können, sagt Alijaj. «Ausser, dass ich vielleicht nicht so gerne lange rede, wie andere Politikerinnen und Politiker.»

veröffentlicht: 25. Oktober 2023 05:31
aktualisiert: 25. Oktober 2023 05:31
Quelle: ZüriToday

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