Zürcher Obergericht

Fall Wilson A.: Zürcher Obergericht spricht Polizisten frei

15.02.2024, 19:30 Uhr
· Online seit 15.02.2024, 10:18 Uhr
Das Zürcher Obergericht hat einen 48-jährigen Polizisten vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens freigesprochen. Ihm wurde vorgeworfen, 2009 in Zürich einen dunkelhäutigen Mann massiv angegriffen zu haben, als dieser sich gegen eine Personenkontrolle wehrte.

Quelle: TeleZüri / Nicole Disler / ZüriToday / Olivia Eberhardt

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Der Fall beschäftigt nicht nur die Zürcher Justiz seit geraumer Zeit, sondern auch mehrere Nichtregierungsorganisationen. Sie verfolgen jedem Schritt in dem Verfahren. Die «Allianz gegen Racial Profiling» lud am Donnerstag zu einer Medienkonferenz, wo sie darlegte, warum es sich aus ihrer Sicht um einen typischen Fall einer rassistisch motivierten Polizeikontrolle handle.

Das Zürcher Obergericht bestätigte am Donnerstag den Freispruch des Bezirksgerichts Zürich vom April 2018. Zusammen mit dem 48-jährigen Polizisten, der den umstrittenen Einsatz leitete, standen damals auch noch eine Polizistin und ein Polizist vor Gericht. Ihre Freisprüche wurden vor Obergericht nicht mehr angefochten.

Wie schon das Bezirksgericht sprach das Obergericht den Polizisten vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens frei. Dieser habe den damals 36-jährigen Privatkläger Wilson A. nicht gewürgt und auch sonst keine unangemessene Gewalt angewendet. Viel mehr habe der Privatkläger die Eskalation durch sein Verhalten verursacht.

Gericht lehnte Anträge des Anwalts des Privatklägers ab

Eine Polizistin sowie ein Polizist, die an der Kontrolle ebenfalls beteiligt waren, wurden mittlerweile rechtskräftig freigesprochen. Der Anwalt des Privatklägers Wilson A. stellte zu Beginn der Verhandlung vor Obergericht den Antrag, dass die beiden freigesprochenen Polizisten nun als Zeugen geladen werden sollen. So müssten sie gegen ihren Kollegen aussagen, der bei dem Einsatz als Gruppenführer tätig war.

Der Anwalt von Wilson A. stellte noch verschiedene weitere Beweisanträge. So forderte er unter anderem, dass ein ausführliches rechtsmedizinisches Gutachten zu den Verletzungen von Wilson A. in Auftrag gegeben wird. Das Gericht lehnte kurz nach Beginn der Verhandlung verschiedene Anträge des Anwalts des Privatklägers ab. Wären diese gutgeheissen worden, wäre der Prozess wohl für längere Zeit unterbrochen worden.

Kundgebung vor dem Gericht

Vor Beginn der Gerichtsverhandlung besammelten sich am Donnerstag mehrere Dutzend Sympathisantinnen und Sympathisanten vor dem Zürcher Obergericht zu einer Kundgebung. Sie begleiteten ihn auch in den Gerichtssaal. Ein ungläubiges Raunen ging darum durch den Saal, als der beschuldigte Polizist davon sprach, dass ihn das langwierige Gerichtsverfahren persönlich stark belaste. Der Richter drohte, im Wiederholungsfall den Saal räumen zu lassen.

2018 wurde der Fall Wilson A. in erster Instanz vor dem Bezirksgericht Zürich verhandelt. Zuvor wollte die zuständige Staatsanwältin das Verfahren zwei Mal einstellen und wurde gerichtlich zu dessen Fortführung verpflichtet. Vor Gericht beantragte die Staatsanwältin dann - entgegen der Anklageschrift - Freisprüche für die Polizisten. Das Gericht sprach alle drei frei.

Richter: «Racial Profiling ist nicht Gegenstand dieses Strafverfahrens»

Der Anwalt von Wilson A. machte am Donnerstag geltend, dass die Kontrolle durch die Polizisten von Anfang nicht rechtens gewesen sei, es handele sich um einen Fall von so genanntem Racial Profiling. Die Version der Polizisten, wonach überprüft werden sollte, ob es sich um eine gesuchte Person handeln könnte, sei ein reine Schutzbehauptung.

Der vorsitzende Richter machte indes klar: «Racial Profiling ist nicht Gegenstand dieses Strafverfahrens.» Der Grund dafür sei, dass die zuständige Staatsanwältin in der Anklage davon ausgegangen sei, dass die Personenkontrolle zurecht erfolgt sei. Von dieser Annahme dürfe das Gericht gar nicht mehr abweichen.

Auch der Anwalt des beschuldigten Polizisten sagte, es liege kein Fall von Racial Profiling vor. Die Polizisten hätten den Privatkläger verhaften müssen, nachdem dieser sich fürchterlich über die Kontrolle aufgeregt und die Beamten angegriffen habe. Von einem Gewaltexzess seitens der Polizisten könne keine Rede sein. Der Freispruch müsse deshalb bestätigt werden.

Vorwürfe bezüglich Racial Profiling, die der Anwalt des Privatklägers erhob, wies das Gericht zurück. «Wenn die Polizei eine dunkelhäutige Person sucht, wird sie dunkelhäutige Personen und nicht weisse Personen kontrollieren und umgekehrt», sagte der vorsitzende Richter.

Das Urteil des Obergerichts ist noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.

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(mit Material der sda)

veröffentlicht: 15. Februar 2024 10:18
aktualisiert: 15. Februar 2024 19:30
Quelle: ZüriToday

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