Schweiz

Grüne schmelzen im Parlament weg – Sorge um Klima wächst

Rechtsrutsch

Grüne schmelzen im Parlament weg – Sorge um Klima wächst

28.10.2023, 08:14 Uhr
· Online seit 23.10.2023, 05:52 Uhr
Die SVP ist bei den Parlamentswahlen die grosse Siegerin. Linke Parteien und Stimmen aus der Bevölkerung sehen den Klimaschutz deshalb gefährdet. Hoffnung macht die Mitte mit ihrem Mini-Sieg.
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Im Freudentaumel verliessen die Grünen 2019 die Parlamentswahlen. Am Sonntag, vier Jahre später, war keine Spur mehr davon. Präsident Balthasar Glättli hetzte am Abend teilweise fluchend von Interview- zu Interviewtermin. «Entschuldigung, aber ich bin voll durchgetaktet», sagte er dazwischen genervt.

Fünf Sitze verloren die Grünen am Sonntag im Nationalrat. Mit ihrem Anteil von 9,2 Prozent fielen sie unter die symbolische Zehn-Prozent-Marke und kommen noch auf 22 Mandate. Nachdem die Berechnungs-Panne des Bundesamts für Statistik am Mittwoch bekannt wurde, stieg ihr Wähleranteil auf 9,8 Prozent. Über den SVP-Rutsch zeigte sich Glättli besorgt. Das sei für den Klimaschutz ein schlechtes Zeichen, sagte er.

«Es wird kälter»

Ähnlich reagieren User auf Social Media. «Es wird kälter. Die SVP wird die Schweiz noch mehr in die Isolation treiben. Die SVP schafft Probleme, bietet aber nie Lösungen an», schreibt ein User auf X, vormals Twitter. Der grüne Zürcher Gemeinderat und nicht gewählte Nationalratskandidat Dominik Waser vergleicht die Zukunft mit dem schnellen Schmelzen der Gletscher. Ein weiterer User spottet: «In der Schweiz waren die letzten Wahlen 2019 die Klimawahlen. Jetzt ist mit dem Klima offenbar alles wieder bestens: Ende der Gletscherschmelze, Bergabbrüche, Trockenheit.»

Die SP gewann zwei Sitze dazu und kommt neu auf 41 Sitze. In einer Medienmitteilung äussert sich die Partei besorgt über den Rechtsrutsch. Unter anderem sieht sie wegen der gestärkten SVP den Klimaschutz gefährdet.

«Sind mit Albert Rösti in guten Händen»

Grosse Wahlsiegerin ist die SVP. Sie machte gemäss der Hochrechnung ihre Sitzverluste bei den Wahlen 2019 wett. Neu erreicht sie mit einem Plus von neun Sitzen 62 Mandate im Nationalrat.  Damit steigt ihr Wähleranteil auf 27,9 Prozent. Angesprochen auf die Klimapolitik, antwortet SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi schmallippig. «Wir sind mit Albert Rösti in guten Händen.» SVP-Bundesrat Albert Rösti ist Energieminister. «Er wird sicherstellen, dass wir im nächsten Winter genügend Energie haben», so Aeschi zur Today-Redaktion.

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Auf die Frage nach konkreten Klimazielen der SVP reagiert Aeschi mit Befremden. «Zuerst kommt die Sicherstellung einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung», sagt er. Und die SVP wehre sich gegen die Massenzuwanderung sowie den Asylansturm und verlange die Rückkehr zur bewaffneten Neutralität.

Mitte sei wichtig für mehrheitsfähige Klimalösungen

Die Mitte hatte die FDP in diesen Wahlen am Sonntag hauchdünn überholt. Am Mittwoch meldete das Bundesamt für Statistik jedoch einen Berechnungsfehler. Entgegen früherer Angaben bleibt die FDP gemäss korrigierten Zahlen die drittstärkste politische Kraft im Land. Ihr Ergebnis wurde zwar um 0,13 Prozentpunkte auf 14,3 Prozent nach unten korrigiert. Weil die Stärke der Mitte-Partei am Sonntag aber sogar um 0,52 Prozentpunkte zu hoch angegeben wurde, fällt sie nun hinter die Freisinnigen zurück.

Für die Mitte ist die Klimapolitik mit geschmolzenen grünen Sitzen nicht weniger wichtig geworden. «Das Klima bleibt eine der grössten Sorgen der Menschen», sagt Mitte-Präsident Gerhard Pfister. «Wir werden auf diesem Pfad weitergehen.» Seine Partei spiele in der Klimapolitik eine entscheidende Rolle. Im Juni nahm das Volk das Klimaschutzgesetz an. Pfister: «Das Klimaschutzgesetz wurde nur durch die Mitte mehrheitsfähig.»

Eine optimistische Prognose für die Klimapolitik im Falle eines Rechtsrutschs stellte Georg Lutz, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Lausanne. «Das Parlament kämpft auf allen Ebenen für mehrheitsfähige Lösungen», sagte er. Da die SVP bei der Klimathematik bisher keine konstruktive Rolle gespielt habe, stünde auch ein Rechtsrutsch im Parlament der Klimadebatte nicht im Weg.

veröffentlicht: 23. Oktober 2023 05:52
aktualisiert: 28. Oktober 2023 08:14
Quelle: Today-Zentralredaktion

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