Kaputte Apfelbäume

Juckerhof scheitert bei Experiment – Schafe landen im Schlachthof

02.11.2023, 12:55 Uhr
· Online seit 02.11.2023, 07:03 Uhr
Die Schafherde, die der Juckerhof in Seegräben im Obstbau einsetzte, beschädigte die Apfelbäume. Da der Hof keinen neuen Platz für die Tiere fand, musste er sie metzgen lassen. Das Vorgehen löst Unmut aus.
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Milly kam «immer gerne schmüselen», Jasmin war «ganz scheu». Die beiden Schafe weideten mit zehn weiteren die letzten drei Jahre in den Obstanlagen auf dem Juckerhof in Seegräben. Inzwischen leben die insgesamt zwölf Shrophshire-Schafe nicht mehr.

«Nach gut drei Jahren Versuchsbetrieb mussten wir uns von unserem Schöfli-Team verabschieden», vermeldete die Jucker Farm am 26. Oktober auf ihrer Website. Passiert sei es auf die unschöne Art. «Sie wurden schlussendlich gemetzget.»

Der Hof übernahm die Schafe 2021 von einem Betrieb, um sie für ein Experiment im regenerativen Obstbau einzusetzen. Bei dieser nachhaltigen Landwirtschaftsform sorgen Tiere für einen gesunden Boden. Die grasenden Schafe sollten die Obstanlage pflegen und mit ihren Hinterlassenschaften düngen. «Doch dann mussten wir einsehen, dass das so über kurz oder lang keinen Sinn mehr macht», zitiert die Jucker Farm den Obstbauern-Chef des Juckerhofs in Seegräben.

«Die Ernteausfälle waren zu massiv»

Auf den Obstanlagen mit den Apfelbäumen richtete die Schafherde mehr Schaden als Nutzen an. An den Apfelbäumen hätten die Schafe erheblichen Frassschaden verursacht, schreibt die Jucker Farm. «Das war schlussendlich nicht mehr tragbar, die Ernteausfälle waren zu massiv.»

Da die Farm keinen neuen Platz für die Schafe fand, blieb nur noch die Schlachtung übrig. «Das tut weh und das macht niemand gern und wir finden es überhaupt nicht toll, dass es so gekommen ist», zitiert die Meldung auf der Website den Obstbauern-Chef.

Schwierig wurden die Schafe für den Betrieb auch, weil diese übergewichtig wurden. So seien sie «je nach Ort und zusätzlich mit der dicken Wolle kaum mehr zwischen den Reben  hindurchgekommen», steht weiter. Die Jucker Farm begründet dies mit der Rasse, die sehr viel Fleisch ansetze und dem «vielen jungen saftigen Gras», das die Schafe zum Grasen gehabt hätten.

«Wo bleibt die Achtung vor Lebewesen?»

Die Schlachtung der Jucker-Herde löst Unmut aus. «Uii nein, wie schrecklich!!! Wo bleibt denn da die Achtung vor Lebewesen??? Sowas darf einfach nicht geschehen ... bin absolut entsetzt», schreibt «Susi» in den Kommentaren. «K. Hösli» bezeichnet es als «traurig und bedenklich, wie wenig Achtung» der Hof vor Leben habe. Auch werfen User dem Hof vor, sich zu wenig über diese Schafe informiert und sich zu wenig um die Suche nach einem neuen Platz bemüht zu haben.

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Martin Jucker, Unternehmer und Mitgründer der Jucker Farm in Seegräben, bestätigt auf Anfrage von ZüriToday, dass das Experiment mit den Schafen gescheitert sei. «Wir versuchen die nachhaltigste Form der Landwirtschaft zu entwickeln. Dabei gibt es auch Rückschritte», sagt er. Bisher habe kein Betrieb aus eigener Erfahrung beweisen können, dass diese Methode nicht funktioniere. «Man kann das Verhalten der Schafherde nicht in der Theorie herausfinden. Darum wagten wir den Versuch.»

Zufall bot Gelegenheit

Laut Jucker frassen die Schafe die Blätter, Knospen und Rinden der Apfelbäume ab. Diese etwa mittels einer Umzäunung der Bäume davon abzuhalten, wäre sinnlos gewesen. «Der ökonomische Nutzen ist am grössten, wenn die Schafe direkt unter den Bäumen fressen, weil man diese Stellen mit der Maschine nicht erreicht.»

Diese Schafrasse hat der Hof für das Experiment per Zufall eingesetzt. «Wir konnten sie vor drei Jahren von einem Hof übernehmen, der sie ansonsten hätte schlachten lassen müssen», sagt Martin Jucker. Sie hätten damals gewusst, dass es nicht die ideale Rasse für diese Art von «Arbeit» sei. Shropshire-Schafe seien eine Fleischrasse. «Aber da wir sie übernehmen konnten, wollten wir es einfach mal ausprobieren.»

Jucker Farm gibt nicht auf

Der Juckerhof fand trotz Bemühungen keine Lösung für die Schafe. Auf ihrer Farm bedauerten viele Mitarbeitende, dass nur noch die Schlachtung übriggeblieben sei, sagt Jucker. «Unser Produktionsleiter hat erfolglos weit herumtelefoniert.» Einen Betrieb mit einer Weide für Schafe zu finden, grenze im Mittelland an das Unmögliche. «Einerseits gibt es viele Biobetriebe, die Schafe anderer Betriebe nicht übernehmen dürfen, und andererseits werden Weideflächen durch die fortschreitende Verbauung immer rarer.»

Ein schlechtes Gewissen, dass seine Schafe auf der Schlachtbank landeten, hat Jucker nicht. «Hätten wir die Schafe für das Experiment damals nicht übernommen, wären sie schon längst im Himmel.» Der Hof habe ihr Leben etwas verlängern können.

Aufgeben will die Jucker Farm den Einsatz von Tieren im regenerativen Obstbau nicht. Jucker schwebt ein neuer Versuch mit Zwergeseln, Hochlandrindern oder einer Schafrasse vor, die fast kein Fleisch ansetzt. «Es wären Tiere mit einer Grösse, die wir bei uns halten könnten, bis sie aus Altersgründen sterben.»

veröffentlicht: 2. November 2023 07:03
aktualisiert: 2. November 2023 12:55
Quelle: ZüriToday

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